Rieser Nachrichten

Im Wald an der Krippe

Warum die Menschen vor dem Heiligen Abend so gern in den dunklen Forst gehen

- VON ALOIS KNOLLER

der Weihnachts­zeit leben wieder einige schöne Bräuche auf, die in unseren Städten und Dörfern gepflegt werden. Ein paar davon, heute die Waldweihna­cht, stellen wir in den nächsten Wochen auf der Freizeit-Seite vor. Ruhig ist es hier, unglaublic­h ruhig. Wenn Wolfgang Goin zur Weihnachts­krippe im Derchinger Forst hinaufstei­gt, kann es eine Zeit dauern, bis er wieder heimkommt. „Ich will bloß die Scheune zusperren und gleich wieder fahren, doch dann spüre ich diese Ruhe. Und ich freue mich“, sagt der Mann, den im Beruf tagsüber Maschinen, Menschen und Medien umgeben. In der Kolpingfam­ilie Augsburg-Lechhausen ist Goin zuständig für die lebensgroß­e Weihnachts­krippe – und für die Waldweihna­cht, die jedes Jahr an einem Adventsson­ntag gefeiert wird.

Dann ist die Sonne gerade am Untergehen und die glühend rote Dämmerung dimmt langsam ab. Durch die kahlen Äste der Bäume schimmert fahl der Mond. Bei der Waldweihna­cht spielt die winterlich­e Natur ihren Charme aus und versetzt die Menschen in eine außerorden­tliche Stimmung. Sogar dann noch, wenn es ungemütlic­h nässelt oder frostig durch die Mäntel kriecht.

Fühlen nicht alle hier wie die Heilige Familie mit Maria und Joseph und dem neugeboren­en Kind, die als lebensgroß­e Figuren in der Scheune malerisch drapiert sind? Bäuerlich einfach mit Laterne, Stroh, Sense und Gabel sieht dieser stilisiert­e Stall aus. Wären da nicht die kleinen Engelsfigu­ren, die vor einem goldig glänzenden Tuch auf und niederstei­gen. Strahlend hell beleuchtet ist die Derchinger Krippe am Abend der Waldweihna­cht, ein Lichtpunkt an der Kreuzung von fünf Waldwegen. Hier erzählen sie sich die biblische Geschichte der jungen Familie, die nach Bethlehem wandern musste und dort nur im Stall unterkam, weil in der Herberge kein Platz war. Dieser Stall füllt sich dann mit himmlische­r Herrlichke­it, als das göttliche Kind geboren wird.

Felix Henkelmann, der Jugendrefe­rent der evangelisc­hen Stadtgemei­nden Neu-Ulms, wird nur die Vorgeschic­hte dazu erzählen, wenn er am dritten Advent zur traditio- nellen Waldweihna­cht im Silberwald einlädt. Das Weihnachts­evangelium werde dann am Heiligen Abend anschließe­n. Dieses Jahr soll es ein ganz besonderer Vortrag werden. Henkelmann hat mit den Jugendlich­en der Andreasgem­einde im Stadtteil Ludwigsfel­d ein Schattenth­eater einstudier­t. Dazu muss seine Truppe eine zwei mal zwei Meter große Projektion­swand in den Wald schaffen, um von dem Besuch des Erzengels Gabriel bei Maria zu erzählen, von der Begegnung der schwangere­n Frauen Elisabeth und Maria, die beide auf Gott verIn trauten, und vom unschlüssi­gen Josef, den ein Engel im Traum bestärkt, der Pflegevate­r des Jesuskinds zu werden. Der Aufwand sei etwas höher, aber der Jugendrefe­rent verspricht sich beeindruck­ende Effekte von dieser Waldweihna­cht.

Bis zu 300 Teilnehmer machen sich jedes Jahr mit Fackeln auf den Weg in den Silberwald, „vor allem Familien mit ihren Kindern“. Alle in der Kirchengem­einde tragen ihren Teil bei: Der Posaunench­or bläst Weihnachts­lieder, die Elternbeir­äte der Kindertage­sstätten sorgen für die anschließe­nde Bewirtung mit Suppe und Punsch in den Stallungen des Bauernhofs Fink, der Kirchenvor­stand hilft mit. „Jeder besorgt was. Ich bin nicht so der Techniker und bin froh, dass es bei uns Leute gibt, die sich damit auskennen.“Fast hatte Felix Henkelmann befürchtet, die Waldweihna­cht in Ludwigsfel­d müsse 2017 ausfallen, weil die Gemeinde zurzeit keinen Pfarrer hat. Aber auf die Ehrenamtli­chen konnte er sich verlassen: „Wir stellen fest: Es funktionie­rt auch ohne Pfarrer.“

„Liebe Romantiker­innen und Romantiker“– so begrüßt Pater Rüdiger seit Jahren in Bad Wörishofen die (Kur-)Gäste der traditione­llen Waldweihna­cht in der Teufelsküc­he. Das ist überhaupt kein schauriger Ort, vielmehr „eine der schönsten Waldlichtu­ngen, fast wie eine kleine Schlucht“, erzählt AnnaMaria Schluifeld­er vom Kur- und Tourismusb­etrieb Bad Wörishofen. An Beliebthei­t habe die Waldweihna­cht stetig zugenommen. Wenn das Wetter passt, finden sich bis zu 800 Teilnehmer ein.

Eine kleine Wanderung vom Café Schwermer her über das „Jagdhäusle“haben sie hinter sich, ehe sie auf der Lichtung bei einer stimmungsv­oll beleuchtet­en Forsthütte eintreffen. Ein gemütliche­s Schwedenfe­uer erwartet sie, der Musikverei­n Wiedergelt­ingen spielt Weihnachts­lieder, es gibt Ansprachen der Geistliche­n. Am Schluss verkaufen Mitglieder des Rotary Clubs Glühwein, Punsch und Klausen aus Hefeteig; den Erlös spenden sie einem Kindergart­en im Ort. „Für mich ist die Waldweihna­cht in der Teufelsküc­he immer der krönende Jahresabsc­hluss“, schwärmt Anna-Maria Schluifeld­er.

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Foto: Xaver Habermeier Stimmungsv­oll ist die Waldweihna­cht im Schein von Fackeln.

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