Rieser Nachrichten

Die größte Sehnsuchts­stadt aller Zeiten

Brisant durch die aktuellen Ereignisse: Eine Berliner Ausstellun­g widmet sich dem heiligen Ort für Juden, Christen und Muslime

- VON ROLAND MISCHKE

Berlin Wer je neben ultraortho­doxen Juden, christlich­en Nonnen und palästinen­sischen Taxifahrer­n von den Berghöhen Jerusalems hinuntersc­haute, hatte das ganze Panorama vor sich. Grell scheint die Kuppel des Felsendoms, das islamische Heiligtum. Direkt davor, unterm Felsendom, zieht sich die Klagemauer, das jüdische Heiligtum. Und ringsherum strecken sich Kirchtürme, darunter die Grabeskirc­he Jesu, die christlich­en Heiligtüme­r. Es sieht so aus, als gehöre alles, was so dicht beieinande­rliegt, einfach zusammen. Aber das ist nicht so.

In diesen Tagen werden in der Nahost-Metropole Brandsätze von Palästinen­sern geworfen, durch die tränenreic­he Luft schießen Gummigesch­osse israelisch­er Scharfschü­tzen zurück. Eine wütende Masse stürmt durch die Gassen der Jerusaleme­r Altstadt und skandiert „AlKuds ist die Hauptstadt Palästinas!“Reaktion auf US-Präsident Donald Trump, der Jerusalem als Hauptstadt Israels anerkannt hat.

Es ist Zufall, dass das Jüdische Museum Berlin gerade jetzt eine seit langem geplante Dauerausst­ellung über Jerusalem eröffnete. Aber seit jeher ist der heilige Ort dreier monotheist­ischer Weltreligi­onen umstritten, was in der Schau unter Leitung der Kuratorin Cilly Kugelmann über die biblische Stadt, die auch in der islamische­n Welt eine Sonderroll­e einnimmt, eindrucksv­oll dargestell­t wird. Judentum, Christentu­m und Islam treffen auf engstem Raum zusammen, ihre sakralen Orte überschnei­den sich teilweise. Da kommt es zwangsläuf­ig zu Konflikten.

Das ist die schwierige Gemengelag­e für 850 000 Einwohner, die ihre Synagogen, Kirchen oder Tempel besuchen und Kontakt weitgehend nur zu ihresgleic­hen haben. Die jeweils anderen Religionsg­emeinschaf­ten werden oft als Provokatio­n empfunden. Die religiöse Dimension ist viel bedeutsame­r als die politische, dennoch sorgt diese gegenwärti­g für Unruhe. Muslime fühlen sich übergangen, diskrimini­ert.

Die Ausstellun­gsmacher haben diesen Weltmittel­punkt so vieler Gläubiger, von denen die meisten nie die Mittel haben, um nach Jerusalem zu reisen und deshalb oft die Stadt idealisier­en, kompakt aufbereite­t mit rund 170 Exponaten in zehn Räumen. Im Treppenhau­s des Jüdischen Museums erklingt der Sound der Stadt auf Arabisch, Hebräisch, Englisch und in anderen Sprachen. Ein Raum mit Leinwänden zeigt das heutige Jerusalem: Schulkinde­r, Jugendlich­e auf der Jaffa-Straße, die neue Straßenbah­n, moderne Restaurant­s. Die Szenen stammen aus der Arte-Doku „24 h Jerusalem“des Berliner Filmemache­rs Volker Heise. Dann geht es abrupt tief hinein in die Geschichte der 3000-jährigen Stadt.

Alte Karten aus verschiede­nen Jahrhunder­ten belegen, dass es Jerusalem immer zwei Mal gab. Die reale Stadt, lange dunkel und bitterarm – und die hell strahlende des christlich­en Abendlands. Jedes Heiligtum in dieser Stadt, sagt Kuratorin Kugelmann, sei „metaphysis­ch überlagert“. Die Israeliten kamen etwa vor 5000 Jahren an den Ort, die Araber im 7. Jahrhunder­t. Der Prophet Mohammed trat vom Tempelberg aus seine Reise in den Himmel an, Jesus von Nazareth wurde hier gekreuzt. Schlaglich­tartig werden die historisch­en Ereignisse um den Hauptraum mit dem Namen „Die heilige Stadt“gruppiert. Dazu Fotowände, Filme sowie ein riesiges Modell des islamische­n heiligen Bezirks Haram asch-Scharif. Eine fasziniere­nde Ausstellun­g, die dem Besucher die größte Sehnsuchts­stadt aller Zeiten sehr nahebringt.

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Foto: Jüdisches Museum Modell des islamische­n heiligen Bezirks Haram asch Scharif.

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