Bethlehem ist überall
Reinhard Eberhardt, Jonas Hillenmeyer und Klaus Ortler schaffen eine außergewöhnliche Verbindung von Text und Musik in der Nördlinger Spitalkirche. Höhepunkt war die Schwabenweihnacht
Nördlingen Trompete, Orgel und Mundart sind in der voll besetzten Spitalkirche in Nördlingen eine außergewöhnliche Verbindung eingegangen. Nie zuvor erklangen hier Werke von Händel und Vivaldi zu Texten des Rieser Heimatdichters Michel Eberhardt. Sein Sohn Reinhard Eberhardt, sein Enkel Jonas Hillenmeyer und Kantor Klaus Ortler nahmen die Zuhörer mit in eine ebenso feierliche wie nachdenkliche Adventsstimmung.
Man hätte eine Stecknadel fallen hören, als Reinhard Eberhardt mit der Schwabenweihnacht das Auditorium in das Geschehen der Weihnachtsgeschichte führte. Der Dichter Michel Eberhardt überträgt die Herbergssuche in das Nördlinger Ries. Nazareth ist ein kleines Rieser Dorf, und Bethlehem wird zur zentralen Kreisstadt Nördlingen. Josef und Maria suchen eine Herberge auf dem Weg zum dortigen Landratsamt. Der Sohn Reinhard modulierte mit der Stimme eindrucksvoll den barschen „Moier“, ließ ihn gegen die Obrigkeit wettern und schließlich nahm er das Paar Josef und Maria eben nicht mit zum Landratsamt nach Bethlehem: „Es isch mr wegs ‘m Viech.“An anderer Stelle spürt man die Verzweiflung Marias, die sich dann gehorsam Gottes Willen beugt. Allein mit seiner Stimme charakterisierte Reinhard Eberhardt die einzelnen Personen des Stückes.
Die Schwabenweihnacht war zweifellos der textliche Höhepunkt des Abends. Zuvor trug Reinhard Eberhardt weitere hochdeutsche und mundartliche Texte und Gedichte seines Vaters vor, die die „gute alte Zeit“im Advent im Kreise der Familie der 1950er Jahre beschreiben. Michel Eberhardt nimmt die Stimmung im „Zwischenlicht“, dem Licht zwischen der frühen Dämmerung des Frühwinters und dem elektrischen Schalter-Licht auf. Dabei switchte der Rezitator sicher und gut vorbereitet zwischen dem heimischen Rieser Dialekt und Hochdeutsch. Mit kleinen Anekdoten aus der eigenen Kindheit brachte er die Zuhörer zum Schmunzeln: Schließlich ist damals am „Heiligen Mittag“der Christbaum bei der Familie Eberhardt in Zoltingen kurzerhand umgefallen und die Stimmung spannungsgeladen gewesen, bevor dann die Harmonie des „Heiligen Abends“mit Großmutters beschwichtigenden Worten in die Großfamilie eingezogen ist.
Jonas Hillenmeyer, der Enkel des Heimatdichters, spielte erstmals zu Texten seines Großvaters und wählte dazu klassische Musikstücke aus. Schon bei der Eröffnung der Feierstunde zeigte der Trompeter, der an der Ulmer Philharmonie hauptberuflich angestellt ist, sein präzises technisches Können bei Georg Friedrich Händels Feuerwerksmusik. Wie selbstverständlich malte und untermalte er die Texte Eberhardts zum Rieser Winterwald mit Vivaldis Auszug aus den vier Jahreszeiten „Der Winter“.
Der Nördlinger Kantor Klaus Ortler begleitete einfühlsam und ausdrucksstark, auch das Ostinato der „Bilder einer Ausstellung“von Modest Mussorgski spielte er überragend souverän. Ortler registrierte die Orgel stets im Einklang zur Trompete und den vorgetragenen Texten. Mal ließ er die Königin der Instrumente leise tragend singen, mal ließ er sie strahlend jubilieren. Hillenmeyers Spiel war mitreißend, und gerade die Piccolo-Trompete versetzte die Zuhörer in Erstaunen. Jegliche leise Nuance im Spiel der beiden Interpreten übertrug die Akustik der Spitalkirche auf das Auditorium. Nicht zuletzt kamen die Musikfreunde noch in den Genuss Giuseppe Torellis Sonate G1, die Hillenmeyer präsentierte. Den mächtigen musikalischen Abschluss bildete Händels Stück durch Dreiklangsbrechungen: der „Einzug der Königin von Saba“.
Minutenlange stehende Ovationen zeigten den Respekt und die Dankbarkeit des begeisterten Publikums für die drei Künstler des Abends. Die Wiederholung der Veranstaltung findet am Freitag vor dem 4. Advent, 22. Dezember, um 19 Uhr in der St. Laurentius-Kirche in Unterringingen statt. Der Eintritt ist frei.