Den Siechenden zur Hilf’
Die Geschichte unserer modernen Krankenhäuser und Seniorenheime geht auf Spitäler zurück, die ihre Wurzeln schon im Mittelalter hatten. Eine Zeitreise durch die Jahrhunderte
Landkreis Was hatte die Edelfrau Winpurc wohl dazu bewogen, vor vermutlich 1100 Jahren in Wemding ein Spital zu gründen? Wir wissen es heute nicht mehr. Allerdings war es im Mittelalter und in der frühen Neuzeit gar nicht so unüblich, dass Persönlichkeiten zur „immerwährenden Erinnerung“oder für „ewige Jahrtage“einen Gutteil ihres Vermögens hingaben zum Zwecke der Gemeinnützigkeit. Oft zerstörten Kriege, Neuordnung der Grundabgaben, Säkularisation oder Geldentwertung „für immer und ewig“diese Stiftungen. Nicht so im Falle der Edelfrau Winpurc. Ihre Sozialeinrichtungen überdauerten Kriege und Katastrophen – in Wemding ebenso wie in Nördlingen, Oettingen, Donauwörth und Rain.
Nördlingens Stadtarchivar Dr. Wilfried Sponsel sprach jetzt beim „Verein für ambulante Krankenpflege Wemding“über die Geschichte der Spitäler in der Region. Spitäler gehörten schon im Mittelalter zur Infrastruktur einer Stadt, sie sorgten für Alte, Witwen und Waisen. Und sie boten Unterkunft für Pilger, hatten eigene Gotteshäuser und waren nahezu autarke Wirtschaftsbetriebe.
In Nördlingen steht das Spital für eine Basis des mittelalterlichen und frühneuzeitlichen Sozialwesens. Gegründet an einer Eger-Furt teilt es sich – stadtauswärts gesehen – in den geistlich-karitativen Bereich rechter Hand und den gewerblichen und landwirtschaftlichen Teil zur linken Seite. Mit der Stadterweiterung (1327) lag das Spital innerhalb der heutigen Stadtmauer. „St. Johannis“für Patienten mit ansteckenden Krankheiten und Aussatz wurde vor die Stadtmauer verlegt. Wohl schon um 1200 errichtet, wurde das Spital erstmals 1233 erwähnt – und zwar in der ältesten im Stadtarchiv verwahrten Urkunde. König Heinrich VII. bestätigte darin eine Stiftung an das „Spital des Heiligen Geistes“. Papst Gregor IX. nahm die Einrichtung im Jahr 1237 in seinen Schutz. Bald nach 1250 verloren die bisher leitenden geistlichen Brüder die Verwaltung an einen vom Rat der Stadt bestellten weltlichen Spitalmeister.
Bis zur Reformation war der Grundbesitz durch viele Schenkungen bedeutend mehr geworden. Der Spitalmeister waltete im 17. Jahrhundert in 50 Orten über Abgabepflichtige. „Bettstatt-Pfründen“waren mit der Auflage verbunden, dass der Stifter die Personen benennen durfte, die in den Genuss von Kost und Wohnung kamen. Pfründner konnten Einzelpersonen, Eheleute, Ledige, Verwitwete, Einheimische, Auswärtige, Bürger und Adelige sein, außerdem Alte, Arme und Waisenkinder aus dem Ries und der Umgebung. Und die Höhe der Stiftung bestimmte die Güte der Versorgung – der Speiseplan war für Ober-, Mittel- und Unterpfründner unterschiedlich.
Das Ende des Spitals war ein neuer Anfang in Etappen: 1806 bis 1819 war der Stadt vom Königreich Bayern, dem es nunmehr angehörte, die Verwaltung entzogen. Aus 900 Stiftungen gingen 1828 die „Vereinigten Wohltätigkeitsstiftungen“hervor, 1829 entstand im Spital die „Dienstbotenheilanstalt“– dem Vorläufer des 1887/88 im Rückgebäude geschaffenen Krankenhauses. Ab 1954 wurde ein neues Zeitalter eingeläutet – mit dem Bau des Krankenhauses am Stoffelsberg.
Die ehemals Freie Reichsstadt Bopfingen weist viele Parallelen zu Nördlingen auf. Erhalten ist noch das „Seelhaus“, ein Fachwerkbau von 1505, Teil des Heilig-Geist-Spitals. Seit 1987 ist hier das „Haus der Geschichte“untergebracht. Erstmals erwähnt ist das stets durch die Stadt verwaltete Spital im Jahr 1371. Das Sondersiechenhaus vor den Toren bestand mindestens seit 1307.
Das 1420 in Donauwörth gegründete Spital- und Pilgerhaus wurde 1491 in ein Spital umgewandelt. Um 1860 gibt es eine Darstellung der Kapellstraße mit den beiden Einrichtungen: Deutschordenshaus und Bürgerspital mit Kirche. Das erstere wurde im frühen 19. Jahrhundert aufgelöst. Das bürgerliche Spital unter der Trägerschaft der Stadt be- steht noch. Auf die Agenda hat der Stadtrat einen Neubau außerhalb der Altstadt gesetzt. Der historische Standort soll gleichzeitig beibehalten werden.
Einen langen Weg und einiger Verhandlungen bedurfte es, bis in der Stadt Rain ab 1468 das Spital gebaut wurde. Die Äbtissin des Klosters Niederschönenfeld gab ihren Widerstand erst 1463 auf – gegen die Zusage des Patronates für ihren Orden. Niklas Synderlin und Niklas Grünwald legten mit namhaften Stiftungen den Grundstock. Wohl bis zu 24 Insassen konnte die Stiftung ernähren, bis ins 20. Jahrhundert konnte es mit den Zinserträgen gut leben. Die Inflation von 1923 machte dem allerdings ein Ende.
Spitäler, Siechen- und Leprosenhäuser in doppelter Ausgabe – das ist die Besonderheit von Oettingen. Ausgangspunkt war die Teilung der Residenzstadt im frühen 15. Jahrhundert. Nicht nur Schule oder Kirche waren nun zweifach vorhanden, sondern auch die Sozialeinrichtungen. Später kam auch noch die Glaubensspaltung dazu. Erstmals erwähnt ist in Oettingen ein Spital anno 1242, neben dem Unteren Schloss. Mit dem Abbruch der alten Burg und den Deutschordensgebäuden (um 1850) wurde dieses Spital abgetragen. Auch weitere „Sozialgebäude“sind verschwunden. Erhalten sind die 1502 eingeweihte Leonhardskapelle mit dem „oberen Siechenhaus“und die Anna-Kapelle mit dem Leprosenhaus jenseits der Wörnitz. Die 1945 beschädigte Kapelle wurde vereinfacht wieder hergestellt, das Siechenhaus für eine Schwesternschule umgestaltet.
Sponsel beendete seine Zeitreise in Wemding, das sich bei Stadtgrundriss, Lage des Spitals und der „Siechenhäuser“mit Nördlingen vergleichen lässt. Und da ist noch die Kaiserurkunde von 898, in der Arnulf bestätigte, dass Winpurc ihren Hof zu Nördlingen mit dem Kloster St. Emmeram in Regensburg gegen den Ort Wemding eintauscht. Winpurc wird die Gründung des Spitals im Jahre 917 zugeschrieben. Der Chronist des 19. Jahrhunderts, Pfarrer Joseph Laber, schreibt jedoch, dass zu dieser Tradition „nicht viel Zuverlässiges auf uns gekommen“ist. Man gebe Winpurc der Überlieferung nach jedoch die Ehre, das Spitalhaus mit Kirchlein erbaut zu haben. Sponsel teilt diese Zweifel. Unter der Herrschaft der Oettinger sind im 14. und 15. Jahrhundert eine Reihe von Zustiftungen erfolgt, ab 1380 hat das Spital auf jeden Fall bestanden.
Eine Zäsur folgte mit dem Verkauf von Wemding mit Laub und Teilen von Amerbach und Fünfstetten an Herzog Ludwig „den Reichen“(1467). 1710 erfolgte der Neubau des Spitalpfarrhofs und 1722 die Spitalvergrößerung wegen der stark gewachsenen Pfründnerzahl. 1909/10 folgte eine Baumaßnahme, um in einem Teil des Spitals das städtische Krankenhaus einzurichten. Vier Frauen aus dem Augsburger Mutterhaus der Barmherzigen Schwestern traten am 29. März 1910 ihren Dienst an. Zur gleichen Zeit war der Verein für Ambulante Krankenpflege gegründet worden. Durch die Initiative der Ärzte Dr. Engelbert Jakob Bayr und Karl Josef Suess gelang es nach dem Ersten Weltkrieg für Wemding und Umgebung eine fast vollständige Krankenversorgung zu gewährleisten.
20 Altenheimplätze im Erdgeschoss und 42 Krankenbetten im Obergeschoss gab es nach 1955. Die Neugliederung der oberen Stockwerke schuf 1968 bis 1971 ein zeitgemäßes Krankenhaus der Grundversorgung. Doch das Ende besiegelten die Krankenkassen, als sie dem Wemdinger Haus zum Jahresende 1981 den Finanzierungsstatus absprachen. Das Spital kehrte zu seinen Wurzeln – der Altenpflege – zurück. Die „Vinzentinerinnen“wurden nach knapp 75 Jahren ins Mutterhaus zurückgerufen. Mit dem Weggang der Ordensfrauen wurde am 22. März 1984 der Krankenpflegeverein gegründet. Schließlich wurde das Spitalviertel in seiner heutigen Form geschaffen: Der Kreis eröffnete 1988 das Altenund Pflegeheim mit 80 Plätzen, die Stiftung richtete nach 1990 18 Wohneinheiten ein.