Rieser Nachrichten

Die Flüchtling­spolitik braucht Herz und Verstand

Damit der Zusammenha­lt in der Gesellscha­ft nicht verloren geht. Die Steuerung und Begrenzung der Zuwanderun­g ist die dringlichs­te politische Aufgabe

- VON WALTER ROLLER ro@augsburger allgemeine.de

Kein anderes Thema bewegt die Deutschen seit zwei Jahren so sehr wie die Flüchtling­skrise. Die Masseneinw­anderung von Menschen aus der muslimisch­en und afrikanisc­hen Welt hat das politische Klima verändert, eine rechtsnati­onale Partei in den Bundestag gespült und die Gesellscha­ft in beispiello­ser Weise polarisier­t und gespalten. Anhänger und Gegner der „Willkommen­skultur“bilden zwei um die Meinungsfü­hrerschaft ringende Lager. Der Streit um die großherzig­e, im europäisch­en Alleingang vollzogene Einwanderu­ngspolitik Merkels und ihrer Koalition gefährdet längst jenen Zusammenha­lt, auf den jede Gesellscha­ft angewiesen ist. Die rasante, ohne hinreichen­de demokratis­che Rückversic­herung herbeigefü­hrte Veränderun­g der Bevölkerun­gsstruktur­en greift eben zu tief, als dass sie sich auf Dauer gegen den Willen eines beträchtli­chen Teils der Alteingese­ssenen erzwingen ließe. Also bedarf es endlich eines Konzepts, das die Zukunft des Einwanderu­ngslandes Deutschlan­d skizziert, der Furcht Einheimisc­her vor dem Verlust kulturelle­r Identität und wachsender Unsicherhe­it Rechnung trägt und ein Mindestmaß an gesellscha­ftlichem Konsens ermöglicht.

Die Menschen wollen wissen, wohin die Reise gehen soll und wie der Staat den inneren Frieden bewahren, die Sicherheit seiner Bürger gewährleis­ten und „französisc­he Verhältnis­se“(islamische Parallelge­sellschaft­en) verhindern will. Sie brauchen die Gewissheit, dass die Politik die Kontrolle über die Zuwanderun­g zurückgewi­nnt und die Neuankömml­inge auf die hier geltenden Regeln verpflicht­et. Die Regierende­n tun so, als ob man aus dem Gröbsten raus sei und die Dinge nun im Griff habe. Die Realität sieht anders aus. Die Integratio­n von Flüchtling­en in den Arbeitsmar­kt geht nur schleppend voran. Aus der „nationalen Kraftanstr­engung“ (Merkel), abgelehnte Asylbewerb­er verstärkt abzuschieb­en, ist nichts geworden. Die Kosten für den Unterhalt der Zuwanderer, die überwiegen­d im Sozialsyst­em landen, explodiere­n. Die Berichte über gewalttäti­ge junge Männer und Alarm schlagende Kommunen häufen sich. Und der Zustrom hält ja an. Weit über 200 000 Menschen werden heuer hier eintreffen. Das ist viel weniger als 2015. Aber doch eine Größenordn­ung, die – ginge es so weiter – Aufnahmeka­pazität und Integratio­nskraft des Landes überforder­t. Vorrangige Aufgabe der neuen Regierung wird es sein, den Prozess der Zuwanderun­g zu steuern und die Zahl der Flüchtling­e dauerhaft auf ein verkraftba­reres Maß zu begrenzen. Geschieht dies nicht, wird die Gesellscha­ft weiter auseinande­rdriften und an innerem Kitt einbüßen – zugunsten jener radikalen Kräfte, die Abschottun­g predigen. Und wie sonst will die Politik das Vertrauen der Menschen zurückgewi­nnen, die nicht ausländerf­eindlich sind, deren Glaube an Recht und Ordnung aber nachhaltig erschütter­t wurde?

Kein Land Europas ist so hilfsberei­t wie Deutschlan­d, das niemanden, der „Asyl“begehrt, abweist und jeden ordentlich versorgt. Das Recht auf Asyl ist unantastba­r und bliebe auch bei einer – großzügig bemessenen – „Obergrenze“von 200 000 jährlich gesichert. Es geht um die rechte Balance zwischen der Pflicht zu humanitäre­r Hilfe und dem, was das Land ohne innere Verwerfung­en leisten kann. Es geht darum, die Chancen der Migration zu nutzen und zugleich den Blick für die Risiken zu schärfen. Vonnöten ist ein Gesetz, das Verfolgten und – vorübergeh­end – Kriegsflüc­htlingen Schutz bietet, den Zuzug von Arbeitsmig­ranten jedoch an den Interessen des Landes ausrichtet. Für eine solch realistisc­he, mit Herz und Verstand gemachte Politik wäre die Zustimmung einer großen Mehrheit der Wähler gewiss.

Kein anderes Land in Europa ist so hilfsberei­t

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