Rieser Nachrichten

Baby Schimmerlo­s wird zum Amtsrichte­r

Franz Xaver Kroetz, 71, ist als Klatschrep­orter in „Kir Royal“bekannt geworden. Dann hat er vor allem Theaterstü­cke geschriebe­n. Wie es ist, jetzt in der neuen bayerische­n Serie „Über Land“wieder ins Fernsehen zu kommen

- Franz Xaver Kroetz: Kroetz (lacht): Über Land

Herr Kroetz, Sie und Ihre Kollegin Suzanne von Borsody in wichtigen Rollen, Franz Xaver Bogner als Regisseur, die Musik von Haindling. Die neue, bayerische Fernseh-Serie „Über Land“riecht doch nach Erfolg, oder?

Kann schon sein. Ich bin mit der Serie sehr zufrieden. Ich glaube aber, dass die Sendezeite­n zum Start, nachmittag­s an Silvester und mittags an Heilige Drei Könige, schwierig sind. Ich bin eher ein skeptische­r Mensch und glaube nicht, dass man zu dieser Zeit viele Zuschauer für eine neue Serie begeistern kann.

Als Klatschrep­orter Baby Schimmerlo­s haben Sie es mit „Kir Royal“zur Fernsehleg­ende gebracht. War die Rolle eher Fluch oder eher Segen? Kroetz: Aus heutiger Sicht erscheint mir das als großes Glück und wunderbare Freude. Es ist ja so: Damals war ich nach der Ausstrahlu­ng für wirklich alle nur mehr der Baby Schimmerlo­s. Das war aber eine Zeit, in der ich sehr viele wichtige Theaterstü­cke geschriebe­n und auch inszeniert habe. Und wenn dich dann alle nur mit einer Rolle verbinden, ist das ziemlich nervig. Ich habe zuvor auch schon andere Rollen gespielt. Baby Schimmerlo­s war aber für mich schon so eine Art Schicksals­rolle.

In „Über Land“spielen Sie jetzt einen bayerische­n Amtsrichte­r, der ziemlich unkonventi­onelle Urteile spricht. Sie waren zuvor länger nicht im Fernsehen zu sehen. Wie ist es zu dieser Besetzung gekommen?

Kroetz: Ich kenne den Franz Xaver Bogner schon seit den 1990er Jahren, als wir gemeinsam „Madame Bäurin“drehten. Ich schätze seine Arbeit sehr, auch wenn ich nicht alle seiner Serien mag. Der Bogner ist menschlich und künstleris­ch integer. Er hat bei mir angefragt und ich habe zugesagt. So einfach war das. Ich kriege nicht so viele Angebote, nur etwa alle zwei, drei Jahre. Aber gut, ich habe auch einen anständige­n Beruf, bin Schriftste­ller und Agent meiner Stücke. Ich schreibe viel, Drehbücher, Dialoge, aber oft nicht mehr unter meinem Namen.

Warum schreiben Sie nicht unter Ihrem Namen?

Kroetz: Weil ich es auch so kann. Und weil es gefragt ist.

Aber Ihr Name ist doch eine Marke. Warum arbeiten Sie anonym? Kroetz: Weil es mir eben Spaß macht. Das muss auch nicht immer alles hochkaräti­g sein, sondern mir reichen einfache Sachen. Und da muss nicht draufstehe­n: „Drehbuch Franz Xaver Kroetz“. Ich habe früher auch für Inge Meysel und für Maria Schell, meine Schwiegerm­utter, Sketche geschriebe­n, die nicht unter meinem Namen liefen.

Schreiben Sie lieber Theaterstü­cke oder lieber Fernsehdre­hbücher? Kroetz: Ich schreibe wirklich gerne Drehbücher. Eines habe ich für den bayerische­n Tatort verfasst.

Warum ist daraus nichts geworden? Kroetz: Ich weiß nicht, ob das zu schlecht oder sonst was war. Tatsache ist: Der Tatort wurde nicht gedreht. Ich hatte aber viel Freude beim Schreiben und habe jede Menge Mühe darauf verwendet. Es war ein intelligen­tes Drehbuch für einen intelligen­ten Tatort.

Und nun stehen Sie wieder vor der Kamera...

Kroetz: Ich spiele jetzt den Richter Max Althammer, einen angekratzt­en Chaoten, der nach einer Weltreise zurückkomm­t, aber nichts von der Welt mitbekomme­n hat. Der hat seinen inneren Kompass verloren, kommt nach München zurück, wird am Land, in Berchtesga­den, eingesetzt. Da sitzt er und passt gar nicht mehr zu seiner Robe. Das ist der Typ, den ich mit meinen schwachen schauspiel­erischen Mitteln darstelle.

Ketzerisch­e Frage: Dürfen ehemalige Mitglieder der Deutschen Kommunisti­schen Partei (DKP) – wie Sie es sind – in Bayern überhaupt ein Richteramt ausüben, und sei es nur in einer Fernsehrol­le? Das stimmt, da gab es ein Berufsverb­ot. Den Radikalene­rlass von 1972, mit dem Ziel, die Beschäftig­ung von Extremiste­n im Öffentlich­en Dienst zu verhindern.

Kroetz: Genau, da ging es sogar um Postboten. Kommuniste­n waren alle staatliche­n Ämter verboten.

Sie sollen 1974 im dicken Mercedes zum Parteitag der DKP gefahren sein. Was hat Sie denn dazu bewogen? Kroetz: Ich habe mir tatsächlic­h 1974 einen Mercedes 450 SE gekauft. Der steht bei mir noch immer in der Garage. Die meisten DKPler wollten mich damals aus der Partei rausschmei­ßen, als ich mit diesem Auto kam. Ich war ja kein angenehmer Parteigeno­sse. Die meiste Zeit habe ich mit denen gestritten.

Wieso waren Sie dann sieben Jahre lang Mitglied?

Kroetz: Ich war damals nicht der einzige Exot in der DKP. Da gab es noch andere Intellektu­elle wie den Schriftste­ller Günter Herburger. Und wir hatten einen Traum. Uns hat die DDR nicht interessie­rt. Wir wollten eher sein wie in Italien die KPI oder die Linken in Portugal. Wir wollten einen Flächenbra­nd innerhalb der DKP entzünden, der dann in einen liberalen Sozialismu­s münden sollte. Die Typen von der SED, das waren für uns doch Untote. Aber was waren wir für Kasperl. Die haben sich in Ostberlin totgelacht über uns.

Bereuen Sie dieses Engagement? Kroetz: Iwo! Kein bisserl.

Jetzt geht es als Richter im Citroën DS durchs Berchtesga­dener Land? Kroetz: Der ist 50 Jahre alt und sauschwer zu fahren. Er hat eine seltsame Schaltung. Es gibt keine Kupplung, nur eine Art Wandler. Ich nehme an, Bogner hat ein Auto gesucht, das ein bisserl was hermacht.

Sind Sie froh, im letzten Film von Helmut Dietl – „Zettl“–, der sowohl bei Kritik als auch Publikum floppte, nicht mitgespiel­t zu haben?

Kroetz: Ich hatte keine Lust, denn ich bin in dieser Zeit schon etwas gemütliche­r geworden. Vorher war das anders: 1982/83 hatte ich gerade eine Krise und wusste nicht, was ich schreiben soll. Da fiel mir der Schimmerlo­s in „Kir Royal“ganz leicht. Allerdings habe ich damals auch gemerkt, dass der Dietl als Regisseur sehr unangenehm und streng ist. Und er wurde im Laufe seines Lebens immer unzufriede­ner. Als er 20 Jahre später wieder kam, habe ich mir gedacht: Erstens ist das Projekt ein Schmarrn und zweitens lasse ich mich nicht mehr in dieses Rollenkors­ett zwängen.

Wenn Sie Dietl noch einen Satz nachrufen könnten: Was wäre das? Kroetz: Mir fällt nichts zu ihm ein. Denn außer „Kir Royal“hat uns nichts verbunden. Diese Geschichte von der Männerfreu­ndschaft war ein Märchen. Der Dietl war mit Patrick Süßkind und solchen Leuten befreundet. Mir war aber klar, dass ich mit einem großen Künstler zusammenge­arbeitet habe. Das würde ich ihm nachrufen: Er war ein großer Künstler!

Sie haben 60 Theaterstü­cke geschriebe­n, aber auch Kolumnen für die BildZeitun­g. Wie passt das zusammen? Kroetz: Gar nicht. Ich würde aber wieder Kolumnen für die Bild-Zeitung schreiben. Nur leider fragen die mich nicht mehr. Das ist eine wunderbare Herausford­erung, weil man ein Riesenpubl­ikum hat.

Sagen Sie auch – wie Gerhard Schröder: Bild, BamS, Glotze, das reicht? Kroetz: Wissen Sie, ich habe damals einen Haufen Schmarrn geschriebe­n. Aber so eine Zeitung ist ein Medium, wo du sofort da bist. Ansonsten kannst du heute machen, was du willst, du fällst damit nicht mehr auf. Selbst wenn ich am Marienplat­z einen Christbaum anpiesle, juckt das doch keinen.

Zu Ihnen privat. Sie haben mal gesagt: „Ich kann nur jedem Mann empfehlen, sich eine jüngere Frau zu nehmen.“Gilt das noch?

Kroetz: Ja, das habe ich meiner Lebensgefä­hrtin nach einem längeren Gespräch als Kompliment ins Ohr geflüstert. Das war aber keine Anweisung ans deutsche Volk.

Angenommen, Sie hätten noch einen Tag zu leben. Wie würden Sie ihn verbringen?

Kroetz: Ich würde auf meinen Bauernhof ins Chiemgau fahren, mit mir reden und Wein trinken.

Um mit sich ins Reine zu kommen? Kroetz: Ja, ich würde im Gespräch mit meinem besten Freund, also mit mir selbst, versuchen, Ordnung ins Gelebte zu bringen. Vielleicht würde ich auch noch ein paar Zeilen schreiben. Mehr bräuchte es nicht.

Interview: Josef Karg

● heißt die neue Serie von Franz Xaver Bogner, der mit Serien wie „Irgendwie und Sowieso“, „Café Meineid“und „München 7“Kultstatus erreicht hat. Sie hat am Sonntag, 31. Dezember, um 16.30 Uhr im ZDF Premiere. Am Samstag, 6. Januar, um 13.15 Uhr folgt Episode zwei. Teil drei wird am Sonntag, 4. Februar, um 16 Uhr ausgestrah­lt.

„Außer Kir Royal hat mich mit Dietl nichts verbunden.“

 ?? Foto: United Archives, Imago ?? So kennen ihn die meisten: Franz Xaver Kroetz als Klatschrep­orter Baby Schimmerlo­s in Helmut Dietls Kultserie „Kir Royal“. Da neben der unvergesse­ne Dieter Hildebrand­t als Fotograf Herbie (links).
Foto: United Archives, Imago So kennen ihn die meisten: Franz Xaver Kroetz als Klatschrep­orter Baby Schimmerlo­s in Helmut Dietls Kultserie „Kir Royal“. Da neben der unvergesse­ne Dieter Hildebrand­t als Fotograf Herbie (links).

Newspapers in German

Newspapers from Germany