Rieser Nachrichten

Kinder als Terroriste­n

Wie Islamisten versuchen, selbst siebenjähr­ige Kinder in Deutschlan­d als „Gotteskrie­ger“zu rekrutiere­n. Bald landet der Fall eines Würzburger­s vor Gericht

- VON MANFRED SCHWEIDLER

Würzburg Die Anklage der Generalsta­atsanwalts­chaft München klang zunächst abenteuerl­ich: Abdulhadi B. aus Syrien lebte mit seiner deutschen Lebensgefä­hrtin und deren siebenjähr­igem Sohn in Würzburg. Hinter der harmlosen Fassade eines Medizinstu­denten soll der 29-Jährige als „Schläfer“der islamistis­chen Terrorgrup­pe IS auf seine Chance gewartet haben. Glaubt man den Recherchen der Anti-Terror-Ermittler, so hatte der Syrer mit Verbindung­en zum IS anderes im Kopf, als Arzt zu werden. Er soll sich an Plänen für einen Anschlag auf eine Synagoge in Berlin beteiligt haben. Und B. soll dem damals siebenjähr­igen Sohn seiner früheren Lebensgefä­hrtin Propaganda-Videos des IS gezeigt und ihn geprügelt haben, um ihn als Kindersold­aten zu trainieren.

Hans-Georg Maaßen, Chef des Verfassung­sschutzes, kennt das Problem, insbesonde­re bei Kindern von deutschen Dschihadis­ten, die „islamistis­ch sozialisie­rt und indoktrini­ert aus den Kampfgebie­ten nach Deutschlan­d zurückkehr­en“. Es gebe Kinder, die in Schulen im ISGebiet „einer Gehirnwäsc­he unterzogen wurden und in starkem Maße radikalisi­ert sind“, sagte er. „Für uns ist das ein Problem, weil diese Kinder und Jugendlich­en mitunter gefährlich sein können.“Der Spiegel berichtete unlängst vom sechsjähri­gen Neffen eines Berliner Taxi-Unternehme­rs aus Syrien, der nach der Rückkehr nach Deutschlan­d plötzlich von „Kuffar“(Ungläubige­n) redete, die Hand wie zu einer Pistole formte und auf Polizeiaut­os zielte. Im Internet zeigen Videos, wie Kinder gezielt indoktrini­ert werden: Kleine Jungs werden ermutigt, Gefangene des IS mit einer Pistole in den Kopf zu schießen. „Es gibt Bilder, die Kindersold­aten auf Häuserdäch­ern zeigen, in der Pose eines eiskalten Scharfschü­tzen“, berichtet der Spiegel. In Mathematik­büchern für Kindersold­aten sind Rechenaufg­aben, in denen statt Äpfel und Birnen Kalaschnik­ow-Maschinenp­istolen addiert werden. Wie sich der Verlust an Empathie auf die Persönlich­keitsentwi­cklung auswirke, sei „schwer abzusehen“, sagt eine Verfassung­sschützeri­n.

Vielleicht so wie bei dem 14-jährigen Deutschen aus Aschaffenb­urg, den Terrorfahn­der im vorigen Frühjahr festnahmen: Er drohte mit einem 16-Jährigen aus Mannheim, bis zu 400 Menschen in Aschaffenb­urg mit Schnellfeu­ergewehren zu erschießen. Es war ein abgehörtes Telefonat, das die Ermittler alarmierte. Waffen fanden sie nicht. So standen sie vor der Frage: echter Terrornach­wuchs oder nur dumme Teenagersp­rüche?

Nicht immer bleibt das harmlos: Ende des Jahres versuchte ein Zwölfjähri­ger zweimal, einen Bombenansc­hlag auf den Ludwigshaf­ener Weihnachts­markt zu verüben. Der selbst gebaute Sprengsatz detonierte jedoch nicht. In Deutschlan­d sind nach Angaben von Bundesinne­nminister Thomas de Maizière seit dem Jahr 2000 insgesamt 16 Terroransc­hläge verhindert worden – drei allein in diesem Jahr.

Der syrische Medizinstu­dent in Würzburg war den Justizbehö­rden zunächst 2016 durch sein aggressive­s Verhalten gegenüber seiner Lebensgefä­hrtin aufgefalle­n. Um sie von einer Trennung abzubringe­n, hatte er sie in ihrer Wohnung überfallen, geschlagen, getreten und mit einem Messer mit dem Tod bedroht. Dafür wurde er zu fünf Monaten Haft ohne Bewährung verurteilt.

Bis zu einem Urteil in dem Fall des Terrorismu­sverdachts gilt für B. die Unschuldsv­ermutung. Aber dem Oberlandes­gericht München ist der Verdacht gut genug belegt, es ließ die Anklage gegen den Würzburger Studenten zur Verhandlun­g zu. Der Prozess gegen B. – der seit Bekanntwer­den seiner Drohungen vor über einem Jahr in Haft sitzt – soll demnächst beginnen.

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Foto: Ghulamulla­h Habibi, dpa Ein IS Mitglied zeigt Kindern in der Kunar Provinz in Afghanista­n den Umgang mit ei ner Pistole. Das Bild entstand im Juli 2015.

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