Rieser Nachrichten

Pinkelbuss­e

- VON MICHAEL SCHREINER mls@augsburger allemeine.de

Der Bus ist für die Mobilität in unserem Land von großer, für die Freizeit von überragend­er Bedeutung. Kaffeefahr­ten, Vereinsaus­flüge, Kurztrips, Jahresabsc­hlussfahrt­en, Skitouren, Auswärtssp­iele, Ferienreis­en, Opernfahrt­en: Wie ginge das ohne Omnibus? Seit über Autobahnen rasende Linienbuss­e nun auch noch unsere Städte im Taktverkeh­r miteinande­r verbinden, kann niemand mehr dem Bus seinen Rang als wahrer Volkswagen der Nation streitig machen. Wer etwas erreichen will im Leben, geht zur nächsten Bushaltest­elle.

Das Buswesen aber hat, bei allen Vorteilen, auch Nachteile. Es ist, anders als etwa im Flugzeug oder in der Bahn, im Omnibus schwer bis unmöglich, seine Individual­ität zu behaupten. Im Bus entsteht ein Sog des Kollektive­n, der im gemeinsame­n Absingen von Liedern gipfeln kann, manchmal sich auch als höhere Gewalt zeigt in Form eines Reiseführe­rs, der über Mikrofon stundenlan­g mit angelesene­m Wissen die Insassen sediert.

Die Sprengkraf­t einer „Busladung“voller Menschen entfaltet sich aber besonders dann, wenn der Bus stoppt. Etwa vor einem Gasthof, der ein „Busse willkommen“-Schild im Fenster hat und das simultane Abfüttern von Großgruppe­n mit Seniorente­llern beherrscht. Oder zur Pinkelpaus­e, die es trotz Bordtoilet­te noch immer gibt. Einer fehlt dann, wenn es wieder ans Einsteigen geht, immer…

Eine Wortschöpf­ung, in der Rudelreise­drang, Busabferti­gungsbetri­eb und Massenmuss­malphänome­n vereint sind, verdanken wir dem großen Skispringe­r Jens Weißflog. Der kam jüngst in einem Interview auf sein Hotelierle­ben in Oberwiesen­thal zu sprechen und erwähnte dabei „Pinkelbuss­e“. Dass ganze Vehikel voller feiner Pinkel sich dem Viersterne­hotel nähern, war damit jedoch nicht gemeint. Sondern: „Das sind Busgesells­chaften, die laufen durchs Hotel, konsumiere­n nichts, aber die älteren Herrschaft­en gehen bei uns auf die Toilette.“Und die Reiseleite­r, die ließen sich feiern, weil sie ihre Gesellscha­ft zum berühmten Sportler gebracht haben und zwischen Ausstieg, Autogramm und Abflug – eine einmalige Schanze – auch noch Zeit zur Erleichter­ung war.

Auf der nächsten Aida-Fahrt nach Verona wird man sich fragen: Sitze ich in einem Premium- oder einem Pinkelbus?

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