Pinkelbusse
Der Bus ist für die Mobilität in unserem Land von großer, für die Freizeit von überragender Bedeutung. Kaffeefahrten, Vereinsausflüge, Kurztrips, Jahresabschlussfahrten, Skitouren, Auswärtsspiele, Ferienreisen, Opernfahrten: Wie ginge das ohne Omnibus? Seit über Autobahnen rasende Linienbusse nun auch noch unsere Städte im Taktverkehr miteinander verbinden, kann niemand mehr dem Bus seinen Rang als wahrer Volkswagen der Nation streitig machen. Wer etwas erreichen will im Leben, geht zur nächsten Bushaltestelle.
Das Buswesen aber hat, bei allen Vorteilen, auch Nachteile. Es ist, anders als etwa im Flugzeug oder in der Bahn, im Omnibus schwer bis unmöglich, seine Individualität zu behaupten. Im Bus entsteht ein Sog des Kollektiven, der im gemeinsamen Absingen von Liedern gipfeln kann, manchmal sich auch als höhere Gewalt zeigt in Form eines Reiseführers, der über Mikrofon stundenlang mit angelesenem Wissen die Insassen sediert.
Die Sprengkraft einer „Busladung“voller Menschen entfaltet sich aber besonders dann, wenn der Bus stoppt. Etwa vor einem Gasthof, der ein „Busse willkommen“-Schild im Fenster hat und das simultane Abfüttern von Großgruppen mit Seniorentellern beherrscht. Oder zur Pinkelpause, die es trotz Bordtoilette noch immer gibt. Einer fehlt dann, wenn es wieder ans Einsteigen geht, immer…
Eine Wortschöpfung, in der Rudelreisedrang, Busabfertigungsbetrieb und Massenmussmalphänomen vereint sind, verdanken wir dem großen Skispringer Jens Weißflog. Der kam jüngst in einem Interview auf sein Hotelierleben in Oberwiesenthal zu sprechen und erwähnte dabei „Pinkelbusse“. Dass ganze Vehikel voller feiner Pinkel sich dem Viersternehotel nähern, war damit jedoch nicht gemeint. Sondern: „Das sind Busgesellschaften, die laufen durchs Hotel, konsumieren nichts, aber die älteren Herrschaften gehen bei uns auf die Toilette.“Und die Reiseleiter, die ließen sich feiern, weil sie ihre Gesellschaft zum berühmten Sportler gebracht haben und zwischen Ausstieg, Autogramm und Abflug – eine einmalige Schanze – auch noch Zeit zur Erleichterung war.
Auf der nächsten Aida-Fahrt nach Verona wird man sich fragen: Sitze ich in einem Premium- oder einem Pinkelbus?