Robert Atzorn hat keine Lust mehr
Der Schauspieler beendet seine Karriere. Seine Begründung ist so einfach wie sympathisch
Berlin Schauspieler Robert Atzorn will seine Karriere aufgeben. „Es gibt keinen Grund zur Sorge. Für mich ist das Kapitel einfach beendet. Ich habe 50 Jahre gearbeitet“, sagt der heute 72-Jährige. „Es gibt auch noch etwas anderes im Leben – meine Familie, meine Enkel“, erklärte Atzorn der Bild-Zeitung. „Ich möchte nicht auf der Bühne oder vor der Kamera sterben. Jetzt ist es genug.“
Selbst seine Agentin Carola Studlar ist überrascht von Atzorns Konsequenz: Er werde „weder Lesungen halten noch Synchronisierungen vornehmen – und er beantwortet keine Fanpost mehr.“Der 72-Jährige führe nun ein Leben „ohne Druck, ohne Termine, Interviews und Textlernen“. Er lebt mit seiner zweiten Frau, der Tänzerin und Schauspielerin Angelika Hartung, in einem alten Landhaus in Prien am Auch für seine Yoga-Leidenschaft dürfte er in Zukunft mehr Zeit finden.
Am 15. Januar ist Atzorn ein letztes Mal im Fernsehen zu sehen: Im ZDF-Krimi „Nord Nord Mord“spielt er seit 2010 den Kriminalkommissar Theo Clüver, der Todesfälle auf Sylt untersucht.
Doch auch wenn er noch so viel ermittelt, wird der in Bad Polzin im heutigen Polen geborene Schauspieler Millionen deutschen Zuschauern als Lehrer in Erinnerung bleiben: In der ZDF-Serie „Unser Lehrer Dr. Specht“war er fast über die gesamten Neunziger hinweg ein Pädagoge, dem man gern ins Klassenzimmer folgte. Die Serie um den ebenso charismatischen wie verständnisvollen und auch bei den Frauen begehrten Lehrer ist bis heute eine der meistgesehenen im deutschen Fernsehen – und prägte ein neues Feld in der deutschen Film- und TV-Welt: den Schauplatz Schule. Er wurde so erfolgreich, dass sogar Medienwissenschaftler das Phänomen untersuchten – so wie der Flensburger Günter Helmes: „Die Lehrer werden immer als Menschen und Privatleute gezeigt. Sie haben Sorgen und Sehnsüchte, erleben Niederlagen und Erfolge“, sagte er kürzlich unserer Zeitung. Dieses Rezept gehe bis heute fast untrennbar mit einer „Publikumsgarantie“einher. Berühmte Erben Dr. Spechts sind „Der Lehrer“Hendrik Duryn auf RTL und Zeki Müller alias Elyas M’Barek, Prollpädagoge aus „Fack ju Göhte“.
Atzorn selbst war nicht immer begeistert von seinem promovierten Alter Ego. „Die Leute werden immer den Lehrer in mir sehen“, brach es einmal aus ihm heraus: „Ich wünschte, er wäre den Serientod geChiemsee. storben oder die Leiche in meinem ersten ,Tatort’ wird gefunden mit dem Ausruf: Der Specht ist tot!“Das wurde nicht wahr, der „Tatort“bekam trotzdem seine Schlagzeilen – und zwar meist positive. Ab 2001 ermittelte Atzorn im NDR als spröder Jurist und Psychologe Jan Casstorff. 2008 stieg er aus, kritisierte die Qualität mancher Drehbücher.
Der zweifache Vater war seit Beginn seiner Karriere in über 100 Filmen und Serien zu sehen, wurde für sein anspruchsvolles Spiel mit der Goldenen Kamera und dem Grimme-Preis ausgezeichnet. Den Namen Atzorn findet man auch weiterhin in Besetzungslisten: Sohn Jens ist in die Fußstapfen seines Vaters getreten. Der aber widmet sich künftig ganz seinem Lebensmotto: „Dem Ego nachzugeben, bedeutet Gefangenschaft. Der Seele gehorchen, bringt Freiheit.“