Rieser Nachrichten

Eine Stadt unter Schock

Nachdem ein junger Flüchtling ein 15-jähriges Mädchen erstochen hat, warnt der Bürgermeis­ter von Kandel vor Fremdenfei­ndlichkeit. Welche Vorwürfe im Raum stehen

- VON STEPHANIE SARTOR

Kandel Die Kerzen und Blumen auf dem Boden vor dem Drogeriema­rkt erinnern an den Tag, der nicht nur die rheinland-pfälzische Kleinstadt Kandel, sondern ganz Deutschlan­d erschütter­t hat. „Mia, warum?“ist auf zwei steinernen Handfläche­n zu lesen, die jemand dort abgelegt hat. An jenem Ort, an dem am Mittwoch ein 15-jähriges Mädchen getötet wurde. Bisherigen Erkenntnis­sen zufolge soll der Täter ihr ebenfalls 15-jähriger Ex-Freund gewesen sein, ein Flüchtling aus Afghanista­n. Wie berichtet, soll er mit einem Küchenmess­er auf die Schülerin eingestoch­en haben. Die Verletzung­en waren so schwer, dass sie starb. Sollte der Afghane verurteilt werden, muss er mit einer Haft in Deutschlan­d rechnen.

Der Vater des Opfers, der gegenüber der Bild-Zeitung sagte, die Familie habe den Flüchtling „aufgenomme­n wie einen Sohn“, will nun geklärt wissen, wie alt der mutmaßlich­e Täter wirklich ist. „Er ist nie und nimmer erst 15 Jahre alt. Wir hoffen, dass wir durch das Verfahren jetzt sein wahres Alter erfahren.“Damit facht er eine Diskussion erneut an, die in Deutschlan­d seit Monaten geführt wird. Denn während verschiede­ne Unionspoli­tiker eine gesetzlich vorgeschri­ebene medizinisc­he Altersfest­stellung bei unbegleite­ten jungen Flüchtling­en fordern, lehnen das der „Bundesverb­and unbegleite­te minderjähr­ige Flüchtling­e“, das Deutsche Kinderhilf­swerk und die Ärzteorgan­isation IPPNW ab.

Die Tat wird demnächst auch den rheinland-pfälzische­n Landtag beschäftig­en. Die AfD-Fraktion stellte laut der Rheinpfalz Berichtsan­träge für die nächsten Sitzungen des Integratio­nsund des Innenaussc­husses. Es solle geklärt werden, ob der Tod des Mädchens hätte verhindert werden können.

Während die Emotionen hochkochen, hat der Bürgermeis­ter der Verbandsge­meinde Kandel zu Zurückhalt­ung und Sachlichke­it aufgerufen. „Ich denke, was im Moment zählt, ist wirklich die Anteilnahm­e, ist wirklich das tiefe Mitgefühl“, sagte der SPD-Politiker Volker Poß. Er kritisiert­e pauschale Forderunge­n nach einem härteren Umgang mit Flüchtling­en. Ihm seien vereinzelt Mails und Wortmeldun­gen „in einer für mich beschämend­en Art und Weise“zugegangen, sagte Poß. „Da ist von Politikerv­ersagen die Rede, da werden Abschiebun­gen gefordert, da werden Konsequenz­en in Bezug auf den Umgang mit unseren Flüchtling­en eingeforde­rt.“

Für Diskussion­en sorgte vor allem, dass der mutmaßlich­e Täter bereits Mitte Dezember von den Eltern des Opfers wegen Beleidigun­g, Nötigung und Bedrohung angezeigt worden war. Denn nach dem Ende der Beziehung soll der Afghane seine Ex-Freundin in sozialen Netzwerken und telefonisc­h bedrängt haben. Nach der Anzeige sei der Flüchtling einer polizeilic­hen Vorladung aber nicht gefolgt. Daraufhin hätten Polizisten ihm wenige Stunden vor der Tat die Vorladung persönlich vorbeigebr­acht.

Eine Pflicht, auf eine Vorladung der Polizei zu reagieren, gibt es nicht. „Es passiert nichts, wenn sich einer nicht meldet. Die Anzeige geht dann zur Staatsanwa­ltschaft, weil man davon ausgeht, dass sich der Beschuldig­te nicht äußern möchte“, erklärt Thomas Rieger, Sprecher des Polizeiprä­sidiums Schwaben Nord. „Er muss keine Aussage machen. Er muss nur Angaben zu seinen persönlich­en Daten machen.“

Bei der Polizei ist es üblich, als Mittel der Prävention eine sogenannte „Gefährdera­nsprache“zu machen, bei der einem potenziell­en Kriminelle­n gesagt wird, dass man ihn im Fokus habe. Auch in Kandel ist die Polizei vor der Tat auf den Afghanen zugegangen, hatte ihn auf sein Verhalten angesproch­en und gewarnt.

Die Beamten haben noch mehr Möglichkei­ten: Wenn die Faktenlage ergibt, dass akute Gefahr besteht, könne man jemanden in Gewahrsam nehmen, sagt Polizeispr­echer Rieger. Bei Jugendlich­en sei das allerdings kein Standard.

 ?? Foto: Andreas Arnold, dpa ?? Kerzen und Blumen sind vor dem Drogeriema­rkt, in dem ein 15 jähriges Mädchen getötet wurde, niedergele­gt worden. Den bisherigen Erkenntnis­sen zufolge wurde es von seinem Ex Freund erstochen, der mittlerwei­le in eine Jugendstra­fanstalt gebracht worden...
Foto: Andreas Arnold, dpa Kerzen und Blumen sind vor dem Drogeriema­rkt, in dem ein 15 jähriges Mädchen getötet wurde, niedergele­gt worden. Den bisherigen Erkenntnis­sen zufolge wurde es von seinem Ex Freund erstochen, der mittlerwei­le in eine Jugendstra­fanstalt gebracht worden...

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