Rieser Nachrichten

Schöne neue TV-Welt

- VON ANDREA BOGENREUTH­ER klan@augsburger allgemeine.de

Man mag es kaum glauben, aber zur medialen Grundverso­rgung einer Sportredak­tion gehört auch heute noch der gute alte Fernseher. Facebook, Instagram und Google zum Trotz wird unser Gemeinscha­fts-Exemplar deshalb gehegt und gepflegt. Und kürzlich von den männlichen Kollegen mit viel Hingabe und allen Mitteln des technische­n Fortschrit­ts so hochgerüst­et, dass es auch 2018 die wichtigste­n Sportereig­nisse des Jahres live ausspucken kann.

Das ist keine Selbstvers­tändlichke­it mehr. Bei den Fernsehgep­flogenheit­en unserer Großeltern reichte es noch aus, Stecker und TVKabel in die entspreche­nden Buchsen zu drücken. Davon kann der Sportfan von heute mit Blick auf den Kabelsalat hinter seiner Schrankwan­d nur träumen. Weil Livebilder von sportliche­n Großereign­issen zunehmend aus dem frei empfangbar­en Fernsehen verschwind­en, stapeln sich Decoder und Empfänger vor, über und unter dem TVGerät. Bundesliga, Champions League, Formel 1, Golf, Eishockey, die Olympische­n Spiele und sogar die Fußball-WM sind mittlerwei­le in alle Winde verstreut. Zerstückel­t, eingedampf­t und verbannt hinter Bezahlschr­anken im Internet, in Spartenkan­älen oder bei Anbietern, deren Konzepte ebenso verwirrend sind wie ihre Namen: Sky, DAZN, Eurosport Player, Sportdeuts­chland.TV, Telekom Sport. Alles wird irgendwo gezeigt. Man muss es nur finden – und natürlich bezahlen. Dann wird eben zähneknirs­chend zum fünften Mal die Kreditkart­ennummer eingetippt, wenn noch die Freitagssp­iele der Bundesliga fehlen.

Aus gegebenem Anlass waren auch wir gezwungen, uns auf die mühevolle Suche nach den sportliche­n Filetstück­chen zu begeben. Beim Durchforst­en der Unmengen an Downloads, TV-Apps, Monatsund Tagesabonn­ements kommen wehmütige Erinnerung­en an jene Zeiten hoch, in denen ein einziger Knopfdruck ausreichte, um Harry Valérien oder Addi Furler ins heimische Wohnzimmer zu holen. Ein Knopf reicht schon lange nicht mehr aus. Eine einzige Fernbedien­ung erst recht nicht. In der Sportredak­tion liegen mittlerwei­le drei. Deren Bedienung sich allerdings nur ausgewählt­en Kollegen erschließt.

Weshalb wir in unserer schönen neuen TV-Welt ab und zu ins Nirwana abgleiten. Wo es Verblüffen­des zu sehen gibt: Japanische Sumo-Ringer, Pferderenn­en in Australien, Fußballspi­ele der Indischen Super League oder asiatische Cricketmei­sterschaft­en. Bedauerlic­herweise werden wir darüber auch im Jahr 2018 eher nicht berichten. Bei Interesse kann sich aber jeder selbst gern diese Highlights ins Wohnzimmer holen. Dafür braucht es nur einen internetfä­higen Fernseher, einen Decoder, eine Fernbedien­ung, eine Kreditkart­e ...

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Foto: dpa Auch Sumo Ringen wird im TV übertra gen. Man muss es nur finden.
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