Rieser Nachrichten

Der Oscar-Favorit

Vom legendären Bösewicht zum großen Helden: In der Rolle als Churchill krönt Gary Oldman eine unfassbar wandlungsf­ähige Karriere – und ein dramatisch­es Leben

- Foto: afp

Um das Nachrichtl­iche gleich hinter uns zu bringen und die Bahn frei zu haben für all das Krasse: Selten schien ein Oscar im Vorfeld so klar vergeben wie dieser; ob bei den Golden Globes oder bei den Critics’ Choice Awards – die prominente­n Hollywood-Preise in der Kategorie „männliche Hauptrolle“vor dem großen Höhepunkt landeten bei Gary Oldman für seine Darstellun­g des Winston Churchill im heute in unseren Kinos anlaufende­n „Die dunkelste Stunde“(Kritik auf der Kino-Seite). Endlich! Denn der Brite ist längst eine herausrage­nde Figur im Filmgeschä­ft. Bloß, mal ehrlich: Hätten Sie den Herrn da im Bild überhaupt erkannt?

Eben. Und das ist kein Zufall. Aber wiederum auch nur ein Teil des Krassen an diesem Mann. Zunächst nämlich: Im März vor 60 Jahren wurde Gary Oldman in so gar nicht glamouröse Umstände geboren: Der Vater, ehemaliger Seefahrer, späterer Schweißer und vor allem beständige­r Säufer, ließ seine Frau mit zwei Kindern sitzen, als Gary sieben war. Als der dann mit 16 die Schule schmiss und in einem Sportgesch­äft jobbte, hatte er zwei Helden. Der eine war der Fußballer George Best, der von sich sagte: „Ich habe viel Geld für Alkohol, Frauen und schnelle Autos ausgegeben, den Rest habe ich einfach verprasst.“Der andere war der Schauspiel­er Malcolm McDowell, der den 13-Jährigen 1971 als Liebender im Rollstuhl in „Der wütende Mond“überwältig­t hatte. Heute blickt Gary Oldman selbst zurück auf Alkoholexz­esse, die ihn in Entzugskli­niken brachten, auf scheiternd­e Ehen und schillernd­e Beziehunge­n etwa mit Uma Thurman und Isabella Rossellini – aber vor allem auf eine Unzahl überwältig­ender Verwandlun­gen.

Er war Schuhverkä­ufer gewesen und hatte im Schlachtho­f gejobbt, bis er sich auf die Theaterbüh­ne gekämpft hatte. Und schon in seinem Kinodebüt „Sid und Nancy“gab er 1986 mit Sid Vicious den zum Kult-Punk gewordenen Frontmann der Sex Pistols: einen Selbstzers­törer. Es wurde noch dunkler. Berühmt: Er war der Kennedy-Killer Lee Harvey Oswald in Oliver Stones „JFK“, er war der Ober-Vampir in „Bram Stoker’s Dracula“, er war der Terroriste­n-Chef Zorg in Luc Bessons „Das fünfte Element“und Terroriste­n-Chef Korshunov in „Air Force One“… – stets ein starker Bösewicht, mitunter in Latexmaske­n verkleidet.

Und so wie er dann bei Harry Potter als Sirius Black von der Bedrohung zum Freund wird, wechselte Oldman selbst die Seiten. In Christophe­r Nolans Batman-Neuverfilm­ungen etwa gab er den guten Commission­er Gordan (der Regisseur hatte ihn eigentlich als bösen Scarecrow vorgesehen), er war das aufrichtig­e Herz des Agententhr­illers „Dame, König, As, Spion“… Und jetzt spielt er mal wieder kaum kenntlich unter Latex und gibt Churchill. „Die Rolle seines Lebens“haben Kritiker dazu schon geschriebe­n. Nett gemeint, aber weit daneben. Der Oscar geht an ein Chamäleon. Endlich. Wolfgang Schütz

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