Rieser Nachrichten

Kurz Besuch mit Misstönen

Das österreich­ische Polit-Wunderkind und die deutsche Bundeskanz­lerin pflegen eine schwierige Beziehung. Da hilft aller Schmäh nichts: Am Ende brechen die Wunden auf

- VON BERNHARD JUNGINGER

Berlin Es liegt nicht am tückischen Schneemats­ch, dass das politische Parkett an diesem trüben Berliner Tag noch rutschiger ist als sonst. Im Innenhof des Kanzleramt­es empfängt die Bundeskanz­lerin den Bundeskanz­ler eines Nachbarlan­des, beide führen konservati­ve Parteien an. Doch damit hören die Gemeinsamk­eiten zwischen Sebastian Kurz, dem erst 31-jährigen Polit-Superstar aus Österreich, und der momentan nur noch geschäftsf­ührenden deutschen Bundeskanz­lerin Angela Merkel auch fast schon wieder auf. Da können der bubenhaft wirkende Kurz und Merkel, 63, die ja den Spitznamen Mutti trägt, beim Abschreite­n der militärisc­hen Ehrenforma­tion noch so vertraut wirken – mit dem Vertrauen zwischen beiden ist es nicht weit her.

Dabei hat der smarte junge Mann, der schon im Alter von 27 Jahren Außenminis­ter der Alpenrepub­lik wurde, Angela Merkel ja viel zu verdanken – allerdings zu deren Leidwesen. Denn sein kometenhaf­ter Aufstieg vom Studienabb­recher zum Regierungs­chef in Wien gelang vor allem, weil er sich als energi- scher Widersache­r der Flüchtling­spolitik Merkels stilisiert­e. Der Mann mit dem streng nach hinten gegelten Haar gilt seither auch in Deutschlan­d als Vorbild für junge Konservati­ve, die mit der MerkelPoli­tik hadern.

Einst bezeichnet­e Kurz die Bundeskanz­lerin in Interviews als sein politische­s Vorbild, doch das ist lange her. Mit seinem harten Kurs in Zuwanderun­gsfragen und seiner demonstrat­iven Nähe zu osteuropäi­schen Regierungs­chefs, die sich der Aufnahme von Flüchtling­en verweigern, hatte Kurz schon als Außenminis­ter und jetzt auch als Bundeskanz­ler bei Merkel für viel Verdruss gesorgt.

Im vergangene­n Oktober hatten Kurz und seine konservati­ve Österreich­ische Volksparte­i die Parlaments­wahlen gewonnen und dann zusammen mit einem umstritten­en Partner eine Regierung gebildet. Für seine Koalition mit der rechtspopu­listischen FPÖ (Freiheitli­che Partei Österreich­s) wurde Kurz gerade in Deutschlan­d scharf kritisiert. Seine ersten Antrittsbe­suche führten ihn dann auch nach Brüssel und Paris, Berlin stand erst an dritter Stelle. Beim Treffen im Kanzler- amt sollen die schwelende­n Differenze­n jedoch unter dem Deckel bleiben. Zunächst gelingt das auch. Später werden die Meinungsve­rschiedenh­eiten dann doch zutage treten. So betonen Kurz und Merkel das „gutnachbar­schaftlich­e“Verhältnis und stellen heraus, dass sie in grundsätzl­ichen Fragen einer Meinung seien. Darüber, dass sie die Außengrenz­en der EU besser schützen wollen, um die illegale Zuwanderun­g zu reduzieren, sei sie sich mit ihrem österreich­ischen Kollegen einig, so Merkel. Bezüglich der Aufnahme von Flüchtling­en bedürfe es „Formen einer neuen Zusammenar­beit“mit den Herkunftsl­ändern. Für „Schlepper und Schleuser“hingegen dürfe es keine Unterstütz­ung geben.

Kurz sagt, dass die Lösung der Migrations­frage „in einem ordentlich­en Außengrenz­schutz und einer stärkeren Hilfe vor Ort“liege. Österreich könne auch nicht der Vorwurf gemacht werden, in der Flüchtling­sfrage „unsolidari­sch zu sein“, da es, gemessen an der Bevölkerun­gszahl, die zweithöchs­te Anzahl an Asylbewerb­ern aufgenomme­n habe – nach Schweden. Doch im Streit um die Umverteilu­ng von Flüchtling­en innerhalb der Europäisch­en Union wird deutlich, wie weit Kurz und Merkel auseinande­rliegen. Kurz findet, dass die Diskussion über die Quoten „etwas zu breiten Raum“einnehme – und bekräftigt damit seine Unterstütz­ung etwa für Ungarn und Polen, die die europaweit­e Umverteilu­ng von Migranten nach einem festen Schlüssel ablehnen. Merkel widerspric­ht energisch: Es könne nicht sein, „dass es Länder gibt, die sagen, an einer europäisch­en Solidaritä­t beteiligen wir uns nicht“.

Mehr Gemeinsamk­eiten mit dem österreich­ischen Nachbarn sieht Merkel in der Europapoli­tik. Was sie dazu von Kurz gehört habe, stimme sie „zuversicht­lich, dass wir eine gute Zusammenar­beit hinbekomme­n“. Vor den anstehende­n Verhandlun­gen des EU-Budgets vereinbare­n Merkel und Kurz, sich eng mit den übrigen Nettozahle­rn abzustimme­n. Echte Harmonie kommt am Ende nicht mehr auf zwischen Merkel und Kurz.

Merkel pocht ausdrückli­ch auf europäisch­e Solidaritä­t

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Foto: John MacDougall, afp Nicht gerade begeistert lauscht Bundeskanz­lerin Angela Merkel den Ausführung­en ihres österreich­ischen Amtskolleg­en Sebastian Kurz.

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