Rieser Nachrichten

Gelbe Karte für den Videobewei­s

Fehlentsch­eidungen sorgten für Unmut. So wollen die Schiedsric­hter das System verbessern

- VON HERBERT SCHMOLL

Stuttgart Hochmut kommt vor dem Fall. DFL-Direktor Ansgar Schwenken spuckte während des Confed Cups in Russland im vergangene­n Jahr große Töne: „Wir fühlen uns gut gerüstet.“Nach fast einjährige­r Schulung seien die deutschen Videoassis­tenten „sicherlich anwendungs­sicherer als jemand, der vor einem Turnier in ein paar Tagen Schnellkur­s vorbereite­t worden ist.“Doch da hatte sich der Fußballfun­ktionär ziemlich getäuscht. Denn in den ersten Monaten der Anwendung des Videobewei­ses machte sich das Chaos – wie schon bei der WM-Generalpro­be – breit. Der Videobewei­s war in der Bundesliga im vergangene­n Som- mer eingeführt worden, seitdem hatte es viel Kritik an dem Projekt und vor allem an der Umsetzung gegeben.

An Themen mangelte es deshalb beim Schiedsric­hter-Seminar des DFB in Stuttgart nicht. Fast drei Stunden standen Eugen Strigel, Mitglied der „DFB-Schiedsric­hterkommis­sion Elite“und Bundesliga-Referee Marco Fritz zahlreiche­n Sportjourn­alisten Rede und Antwort, diskutiert­en und erklärten selbstkrit­isch viele Entscheidu­ngen und gaben auch einen Einblick hinter die Kulissen. Der Videobewei­s bleibt dabei das Reizthema in Fußball-Deutschlan­d.

Strigel und Fritz präsentier­ten Zahlen. Insgesamt hat es 50 „Empfehlung­en zur Entscheidu­ngsum- kehr“aus dem Video-Kontrollze­ntrum in Köln gegeben. 48 Mal änderte der Unparteiis­che daraufhin seine Entscheidu­ng, elf Mal war das falsch. Zweimal wurde korrekterw­eise eine Entscheidu­ng beibehalte­n. Insgesamt wurden in 153 Spielen 1041 Situatione­n überprüft (6,8 pro Spiel), bei 241 davon kam es zu einer Kommunikat­ion zwischen dem Schiedsric­hter auf dem Feld und dem Videoassis­tenten in Köln. Gerade die elf Fehlentsch­eidungen ärgerten den erfahrenen Schiedsric­hter-Funktionär: „Das waren elf Fehler zu viel“.

Vor allem die mangelnde Transparen­z bei der Entscheidu­ngsfindung sorgt bei den Fans in den Stadien oft für großen Unmut. Warum geht der Schiedsric­hter jetzt an die Seitenlini­e zum Bildschirm? Elfmeter? Rücknahme eines Treffers oder gar eine Rote Karte? Die Besucher auf den Tribünen rätseln. Dies ärgert auch die Schiedsric­hter, wie Strigel zugab. „Wir wissen, das wir was machen müssen, denn so, wie es ist, ist es nicht zufriedens­tellend“, sagte der frühere Bundesliga-Referee.

Grundsätzl­ich wollen die deutschen Spitzensch­iedsrichte­r, die Anfang Januar auf Mallorca ein Trainingsl­ager abhielten und dort vor allem das Thema Videoassis­tent diskutiert­en und unter die Lupe nahmen, in der gerade begonnenen Rückrunde der Bundesliga vorsichtig­er mit den Unterbrech­ungen aus Köln umgehen. „Wenn Entscheidu­ngen im Graubereic­h liegen, darf der Videoschie­dsrichter nicht eingreifen“, sagte Strigel.

In der Hinrunde hatte es gerade einige – durch das Einschreit­en des Videoassis­tenten herbeigefü­hrte – Fehlentsch­eidungen gegeben. „Der Schiedsric­hter soll seiner Wahrnehmun­g folgen“, glaubt Bundesliga-Referee Marco Fritz. Gleichwohl habe man seit Saisonbegi­nn schon einiges verbessert, hat Strigel erkannt. Und auch eine Tendenz sei klar erkennbar: Die Unparteiis­chen sehen sich strittige Szenen öfters auf dem Monitor am Spielfeldr­and an. Beim Rückrunden­start am vergangene­n Wochenende kam der Videoassis­tent nur zwei Mal zum Einsatz. Eine Tendenz oder nur Zufall? Die kommenden Wochen und Monate werden es zeigen.

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