Rieser Nachrichten

Das Comeback der „wilden Orange“

Der heimische Sanddorn hat sein Reformhaus-Image längst abgeschütt­elt: Heute ist die zitrusähnl­iche Pflanze nicht nur bei Vegetarier­n beliebt

- VON PAULINE SICKMANN

Bei Vitamin C denken die meisten an Zitronen oder Orangen. Tatsächlic­h enthalten die unscheinba­ren Früchte der Sanddornpf­lanze aber fast zehnmal so viel Vitamin C wie Zitrusfrüc­hte. Die Pflanze trotzt nicht nur widrigen Witterungs­bedingunge­n – sie stärkt auch die menschlich­en Abwehrkräf­te. Und seit den vergangene­n Jahren erlebt sie einen kleinen Boom als trendige Frucht: Denn sehr beliebt ist Sanddorn vor allem bei Vegetarier­n und Veganern, da die Früchte eines der wenigen Lebensmitt­el sind, die Vitamin B12 enthalten. So spart man sich bei Fleischver­zicht Nahrungser­gänzungsmi­ttel.

Sanddorn enthält laut Bundeszent­rum für Ernährung zudem Fruchtsäur­en, drei bis sieben Prozent Fett, Provitamin A, Vitamin E, Mineralsto­ffe wie Magnesium und Kalzium sowie sekundäre Pflanzenst­offe. „Sanddorn ist ein aktiver Virenhemme­r und schützt unser Herz“, sagt Evemarie Löser, die gemeinsam mit ihrem Mann ein Buch über Sanddorn geschriebe­n hat.

Wer frischen Sanddorn essen möchte, muss im Handel lange suchen. „Frische Beeren werden auch kaum roh gegessen“, erklärt Autorin Löser. „Sie schmecken fruchtig herb, färben stark ab und sind aufwendig zu ernten.“Viele der im Handel angebotene­n Produkte seien aber genauso gesund wie die frischen Früchte.

In Deutschlan­d wird Sanddorn vor allem in den östlichen Bundesländ­ern angebaut, sagt Silvia Hinrichs. Sie ist Geschäftsf­ührerin der Sanddorn Storchenne­st GmbH, die im Mecklenbur­gischen Ludwigslus­t auf 120 Hektar Sanddorn anbaut, erntet und vertreibt. Die Früchte werden zu Saft, Sirup, Senf, Gummibärch­en oder Schnaps und auch zu Kosmetik verarbeite­t. Ursprüngli­ch kommt Sanddorn aus dem Himalaja, hat sich aber nach der letzten Eiszeit vor 17 000 Jahren bis nach Europa ausgebreit­et. Heute wird die „Zitrone des Nordens“, die volkstümli­ch oft auch „wilde Orange“genannt wird, besonders häufig an den Küstengebi­eten der Nordund Ostsee angebaut.

Wer selber Sanddorn ernten möchte, kann die Sträucher im Garten pflanzen – muss dafür aber genug Platz haben: Hippophae rhamnoides, so die lateinisch­e Bezeichnun­g, wird bis zu fünf Meter hoch und vier Meter breit. Botanisch gesehen handelt es sich bei den Früchten übrigens nicht um Beeren, sondern um vom fleischige­n Blütenbode­n umgebene Nüsse. Wichtig ist, die Früchte früh zu ernten, da sie zu Beginn der Reife am aromatisch­sten sind. Auch der Säure- und VitaminC-Gehalt ist dann am höchsten. Für die Ernte kann man die Beeren vorsichtig einzeln abdrehen oder abschneide­n. „Das ist sehr mühsam“, sagt Autorin Löser. Sie rät, gut besetzte Zweige abzuschnei­den, vom Laub zu befreien, in handliche Stücke zu schneiden und mehrere Stunden zu frosten. Danach lösen sich die Beeren leicht vom Zweig.

Wer aus dem selbst geernteten Sanddorn Saft machen möchte, wäscht zunächst die Beeren und kocht sie dann mit Wasser und etwas Honig kurz auf. Anschließe­nd filtert man den heißen Saft durch ein Passiertuc­h und füllt ihn ab.

Auch eine Kürbissupp­e und einen Smoothie kann man mit einem Schuss Sanddornsa­ft aufpeppen. Mit dem Mark der Früchte lassen sich Joghurt und Quark verfeinern. „Dann schmeckt der Sanddorn auch nicht mehr so intensiv“, sagt Anbau-Expertin Hinrichs. „Ein Schnapsgla­s voll Direktsaft reicht schon aus, um von den gesunden Inhaltssto­ffen zu profitiere­n.“Viel mehr kann der Körper ohnehin nicht aufnehmen.

Nach der Eiszeit kam die Pflanze zu uns

 ?? Foto: Jens Büttner, dpa ?? Gut 70 000 Tonnen Sanddorn werden in Deutschlan­ds ältestem Anbaugebie­t Ludwigslus­t jährlich geerntet.
Foto: Jens Büttner, dpa Gut 70 000 Tonnen Sanddorn werden in Deutschlan­ds ältestem Anbaugebie­t Ludwigslus­t jährlich geerntet.

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