Gesucht: Fans der Zauberlaterne
Günther Holzhey betreibt seit zwei Jahrzehnten in Nördlingen sein privates Museum Augenblick. Wie es dazu kam und was er sich jetzt wünscht
Nördlingen Manche Menschen haben das Talent, andere in ihren Bann zu ziehen. Wenn sie etwas erzählen, hängt das Publikum an ihren Lippen. Wenn sie lachen, dann lachen alle Umstehenden mit. Und wenn ihnen ein Leid widerfährt, dann fühlen andere mit ihnen. Günther Holzhey ist so ein Mensch.
Es ist ein kalter Januartag, der Sturm rüttelt an den Holztüren des alten Hauses direkt hinter der Nördlinger Kirche Sankt Georg. Holzhey öffnet die Tür, lächelt, bittet herein – in sein Museum Augenblick. Gleich im Erdgeschoss ist es rechts in einem Raum untergebracht. Auf den ersten Blick scheint dort nicht viel geboten zu sein, ein paar Bierbänke, eine leere weiße Leinwand. Und ein seltsamer Apparat mit drei goldenen Zylindern, die das Licht einer Lampe reflektieren. Ausgerichtet sind diese Zylinder auf die Leinwand. Ein Diavorführgerät ist es nicht, auch kein Filmprojektor – aber was dann?
Holzhey schaltet die Deckenlampe aus. Obwohl es noch Vormittag ist, wird es duster in dem Raum, dem dunklen Januartag geschuldet. Holzhey zieht unter dem Gerät eine dunkle Holzklappe auf und holt eine Platte heraus, die in einen Holzrahmen eingefasst ist. Er steckt sie in den Schlitz vor den Zylinder – und auf der Leinwand erscheint wie durch Zauberhand ein Gemälde. Es zeigt einen Mann, der im Bett liegt. Holzhey dreht an einem kleinen Stift und der Mann beginnt zu schnarchen. Eine Maus krabbelt plötzlich auf das Bett, kommt dem Mund des Schläfers immer näher. Noch ein Schnarchen – und sie hüpft ihm in den Rachen.
Holzhey schaltet das Licht wieder an, lächelt und setzt sich auf eine Bierbank. Das seltsame Gerät mit den drei Zylindern sei eine Laterna magica, erklärt er, zu deutsch Zauberlaterne. Einst war sie das Massenmedium einer ganzen Zeit. Im 19. Jahrhundert erzählten die Vor- führer mit der Laterna magica nicht nur kleine, lustige Geschichten. Nein, das Gerät wurde auch für eine Art historische Tagesschau genutzt. Holzhey hat in seinem Fundus Platten mit Bildern der wichtigsten Ereignisse jener Zeit, beispielsweise dem Untergang der Titanic. Die Laterna magica sei der Vorläufer des Kinos gewesen, sagt er. Doch sie sei poetischer – weil man eben live ein Märchen dazu erzählen, Musik dazu spielen kann. Einmal im Monat komme eine ambulante Schmerzgruppe in sein Museum, erzählt Holzhey. Dann führt er eine Geschichte vor und lenkt die Menschen ab, bringt sie zum Lachen.
Genau das hat Holzhey zusam- men mit seiner verstorbenen Frau Ruth Baumer Jahrzehnte lang getan: Er hat Menschen aus ihrem Alltag entführt, ihnen Geschichten erzählt, ihnen eine im besten Sinn vergnügliche Zeit bereitet. In der Mitte seines Lebens hatte Holzhey genug vom bürgerlichen Dasein als Ingenieur und Orgelbauer. Er ersteigerte in London die Laterna magica – sie stammt aus der Zeit um 1870. Und er erstand ein großes altes Feuerwehrauto. Zusammen mit seiner Frau gründete er die Künstlerkompanie „Musica Magica“und reiste durch Deutschland, England, Frankreich und Österreich. „Es gibt eine Berufung für ein Leben auf der Bühne“, meint er. Und dass er stets sein Publikum bezaubern wollte.
Ganz offensichtlich waren es glückliche Jahre, die des NomadenDaseins. Günther Holzheys Augen leuchten, wenn er sich an sie erinnert. An die Menschen, die er auf seinen Reisen kennengelernt hat. An die Aufführungen, bei denen er ohne Strom auskommen musste. Ein Zuhause hatte das Ehepaar Holzhey-Baumer weiterhin in Stuttgart, die Schwiegereltern jedoch lebten in Regensburg. Irgendwie sei man da immer durch Nördlingen gekommen. Und bei der Suche nach einem magischen Theater in der mittelalterlichen Stadt fündig geworden: Der damalige Oberbürgermeister Paul Kling vermittelte Holzhey das Haus unweit der Kirche. Dort erschuf der sein Museum. In dem gibt es auf den zweiten Blick noch viel mehr zu entdecken als die Zauberlaterne: Ein Grammophon aus dem Jahr 1910, ein Klavier, das keinen Spieler braucht, einen alten Kinoprojektor aus den Tagen von Charlie Chaplin, der noch eine Kurbel hat, Bilder und vieles mehr.
Holzhey öffnet sein Museum auf Wunsch, bietet ein Podium für Veranstaltungen – etwa am kommenden Samstag, wenn dort um 19 Uhr Stefan Noderer Gitarre spielt und Alexander Wachtel parallel dazu die Besucher auf Wunsch malt. Doch die Zeit lässt sich nicht aufhalten – Smartphone statt Zauberlaterne. Holzhey hat im vergangenen Jahr seinen 80. Geburtstag gefeiert. Er macht sich Gedanken, wie es weitergehen soll und sucht Gleichgesinnte, die sein Lebenswerk erhalten. Einen fließenden Übergang wünscht er sich, damit die Mediengeschichte auch in Zukunft in Nördlingen gezeigt werden kann: „Es wäre sehr schön, wenn es in irgendeiner Weise weitergeht.“