„Die denken, dass ich doof bin“
Menschen mit Down-Syndrom kommen im Zentrum Paul Klee in Bern zu Wort
Bern „Mich stört: das Aussehen von Down-Syndrom. Weil mich einer anstarrt. Mich immer angucken. Die denken, dass ich doof bin.“Angela Fritzen bringt auf den Punkt, was ihr auf die Nerven geht. Sie ist eine von rund 50000 Menschen in Deutschland mit Trisomie 21 – bei ihnen ist das 21. Chromosom dreimal statt zweimal vorhanden. Ihnen widmet das Zentrum Paul Klee in Bern unter dem Titel „Touchdown. Die Geschichte des Down-Syndroms“eine Ausstellung, in der Betroffene selber zu Wort kommen.
Sie wollen nicht bemitleidet werden – das wird auch bei der 41-jährigen Fritzen deutlich, wenn sie aufzählt, was Menschen nicht sehen, wenn sie sie anstarren: dass sie reiten, lesen, schreiben, kochen kann. Dass sie Basketball sowie Saxofon und Flöte spielt, eine Ausbildung gemacht hat, im Altenheim arbeitet, einen Freund hat.
Deutlich wird in der Ausstellung, dass das Down-Syndrom – benannt nach dem britischen Arzt John Langdon Down, der sich als erster umfassend mit dem Thema beschäftigte – keine Krankheit ist. Syndrom meint bestimmte Auffälligkeiten bei Menschen mit Trisomie 21: Jeder zweite hat einen Herzfehler, viele haben eine trockene Haut, überdurchschnittlich häufig sind sie auf eine Brille oder auf ein Hörgerät angewiesen. Sie sind oft sehr gelenkig, können sich sehr gut konzentrieren, brauchen aber für viele Dinge mehr Zeit, um sie zu verstehen.
Lange dachte man, dass Kinder mit Trisomie 21 nicht rechnen oder lesen lernen können. Das ist falsch, allerdings lernen Kinder mit Trisomie 21 später zu reden, denn sie haben eine geringere Muskelspannung. Aber: Manche schaffen das Abitur, einige sogar einen Uniabschluss. Sie sind allerdings die große Ausnahme. Der Hamburger Pädagoge André Zimpel hat herausgefunden, dass Menschen mit Trisomie 21 zwei Zeichen oder Gegenstände auf einen Blick erfassen, während Menschen ohne Trisomie 21 doppelt so viele Dinge auf einmal registrieren.
Die Ausstellungsmacher nennen als wichtigste Ziele, dass Menschen mit Trisomie 21 mit ihrer Umwelt möglichst problemlos kommunizieren und als Erwachsene ein selbstbestimmtes Leben führen können. Betroffene beschreiben, wie positiv es für sie war, dass sie eine Grundschule besuchen konnten und dort unterstützt wurden.
Doch es gibt auch andere Alltagserfahrungen. Dazu gehört, dass Menschen mit Down-Syndrom auch als Erwachsene oft geduzt werden, als „Mongo“oder „Spasti“angesprochen werden.
Die Ausstellung erinnert zudem an den Mord von mehr als 100000 behinderten Menschen ab 1939 in Deutschland, an dem zahlreiche Ärzte, Pfleger und Krankenschwestern beteiligt waren. Auf einem Plakat von 1938 wird ein behinderter Mann gezeigt, daneben findet sich der Text: „60000 Reichsmark kostet dieser Erbkranke die Volksgemeinschaft auf Lebenszeit. Volksgenosse, das ist auch Dein Geld.“
Schließlich thematisiert die Schau die Konsequenzen der heutigen pränatalen Diagnostik – wenn eine Trisomie 21 festgestellt wird, kann diese nicht korrigiert werden. Experten schätzen, dass in neun von zehn Fällen das Kind abgetrieben wird. O Die Ausstellung läuft noch bis zum 13. Mai 2018 im Zentrum Paul Klee in Bern.