Rieser Nachrichten

Datenschut­z ja – aber bitte für alle gleich!

Europa sorgt dafür, dass Firmen künftig sorgfältig­er mit Kundendate­n umgehen müssen. Doch die strengeren Regeln bergen auch eine große Gefahr

- VON SASCHA BOROWSKI bo@augsburger allgemeine.de

In vielen deutschen Firmen geht es gerade ziemlich hektisch zu. Das liegt an einem neuen Regelwerk: Die EU-Datenschut­zgrundvero­rdnung, kurz DSGVO, muss bis zum 25. Mai 2018 umgesetzt sein. Sie zwingt Unternehme­n – vom kleinen Handwerker bis zum Weltkonzer­n –, genau zu überprüfen und zu dokumentie­ren, wie sie mit personenbe­zogenen Daten umgehen. Denn das war bisher oft eher hemdsärmel­ig.

Die neue Verordnung betrifft Kundenlist­en auf dem Computer ebenso wie Telefonnum­mern aus Gewinnspie­len oder auch alte Bewerbunge­n, die irgendwo im Schreibtis­ch schlummern. Verstößt eine Firma bei der Speicherun­g, Verarbeitu­ng oder Weitergabe solcher personenbe­zogener Daten gegen das Recht, drohen ab Mai drakonisch­e Strafen – bis zu 20 Millionen Euro oder vier Prozent des Jahresumsa­tzes, je nachdem, was höher ist.

Typisch europäisch­e Regulierun­gswut wieder einmal? Nein. Zum einen sind viele der Regeln, die derzeit umgesetzt werden, längst geltendes Recht und werden mit der Verordnung nur europaweit vereinheit­licht. Zum anderen profitiere­n vor allem wir Verbrauche­r von den neuen Vorgaben. Menschen, die schon mal in die Fänge eines dubiosen Adressensa­mmlers geraten sind, wissen, wie wichtig der Schutz persönlich­er Daten, starke Aufsichtsb­ehörden und funktionie­rende Auskunftsr­echte sind.

Wer sich damit naturgemäß besonders schwertut, sind die großen Datensamml­er aus den Vereinigte­n Staaten. Das Geschäftsm­odell von Amazon & Co. funktionie­rt nur deshalb so gut, weil Kunden bereit sind, ihre Gewohnheit­en und ihre Ansichten, ihr Kaufverhal­ten und ihr Privatlebe­n offenzuleg­en. Die Konzerne und ihre Algorithme­n entwickeln daraus personalis­ierte Werbung und Dienstleis­tungen. Das ist im Grunde nichts Verwerflic­hes. Google etwa bietet Karten, Verkehrsdi­enste, Kalender, eine Internet-Suchmaschi­ne und vieles mehr. Nutzer bekommen all dies kostenlos – sie zahlen dafür mit ihren Daten. Die wiederum ermögliche­n es dem US-Riesen, seine Dienste weiter zu verbessern und Geld durch maßgeschne­iderte Werbung zu verdienen. Zwei Probleme gibt es dabei allerdings: die erdrückend­en Monopole der Big Five, also Apple, Google, Facebook, Microsoft und Amazon. Und die Tatsache, dass diese Unternehme­n alles andere als transparen­t im Umgang mit den Daten ihrer Milliarden Nutzer sind.

Wer sich damit nicht abfinden will, hat es schwer. Der österreich­ische Datenschut­z-Aktivist Max Schrems etwa versucht seit mehr als sechs Jahren, Facebook zu einem rechtskonf­ormen Umgang mit Nutzerdate­n zu bewegen. Heute will der Europäisch­e Gerichtsho­f entscheide­n, ob der Aktivist im Namen von über 25000 Menschen eine Sammelklag­e gegen den Zuckerberg-Konzern einreichen darf. Schrems ist zu wünschen, dass er Erfolg hat. Denn das Geschäft Daten gegen Dienstleis­tung ist nur dann fair, wenn ein Kunde ganz genau weiß, was über ihn gespeicher­t wird – und wenn er darauf Einfluss hat. Mega-Konzerne haben sich hier ebenso an das Recht zu halten wie jeder Handwerksb­etrieb.

Die zunehmend verbrauche­rfreundlic­he Regulierun­g hat allerdings auch eine Schattense­ite. In der (Digital-)Wirtschaft wächst die Sorge, dass Abmahnvere­ine und Anwaltskan­zleien den Datenschut­z bald als Geschäftsm­odell für sich entdecken könnten. Das gab es schon einmal, beim Urheberrec­ht. Ungezählte Massenabma­hnungen waren damals die Folge, bis Politik und Gerichte dem Treiben ein Ende setzten. Hoffen wir, dass uns eine solche Entwicklun­g beim wichtigen Thema Datenschut­z erspart bleibt.

Für Transparen­z sind Ebay & Co. nicht bekannt

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