Rieser Nachrichten

Kretschman­ns Krisen Koalition

Die CDU will von der mit den Grünen ausgemacht­en Reform des Wahlrechts plötzlich nichts mehr wissen

- VON PETER REINHARDT

Stuttgart Eigentlich hätte man am Tag nach dem Desaster gerne die Meinung von CDU-Chef Thomas Strobl zum Streit um die Änderung des Landtagswa­hlrechts in BadenWürtt­emberg gehört. Aber der Innenminis­ter lässt alle Anfragen abwimmeln, nachdem ihm die eigene Landtagsfr­aktion am Dienstagab­end mit ihrem einstimmig­en Nein zu einer Wahlrechts­reform ein politische­s Fiasko bereitet hatte. Es ist einsam geworden um den CDU-Politiker. In der Sitzung der Fraktion am Dienstag hatte er sich entschuldi­gen lassen. Dabei war klar, dass die Fraktion das Thema diskutiere­n wird. Fraktionsc­hef Wolfgang Reinhart argumentie­rte gegen eine Änderung des Wahlrechts. Dann diskutiert­en die Abgeordnet­en über drei Stunden. Am Ende hebt sich keine Hand für die Reform.

Die Wähler in Baden-Württember­g haben nur eine Stimme, mit der sie den Direktkand­idaten und ihre bevorzugte Partei wählen. Bei den Zweitmanda­ten kommen die Bewerber mit den höchsten Prozenterg­ebnissen zum Zuge. Vor allem Frauen beklagen, dass es in diesem System zu wenige weibliche Abgeordnet­e ins Parlament schaffen. Sie fordern die Vergabe der Zweitmanda­te über eine Kandidaten­liste. So könnten die Parteien dafür sorgen, dass mehr Frauen auf sichere Plätze kommen. Alternativ könnte man das Verfahren der Bundestags­wahl übernehmen, wo jeder Wähler zwei Stimmen hat. Mit der ersten wird ein Kandidat direkt gewählt, mit der zweiten die Partei. Wer den Wahlkreis nicht gewinnt, kann über die Kandidaten­listen der Parteien noch zum Zug kommen.

In der ersten Empörung über das Nein der CDU hatte Grünen-Fraktionsc­hef Andreas Schwarz noch

eine Koalitions­krise ausgerufen. Gestern klang er schon deutlich moderater. „Die Koalition wird das auf jeden Fall überleben“, sagt er. Über Konsequenz­en habe er sich noch keine Gedanken gemacht. Doch für diese Woche hätten die Grünen alle gemeinsame­n Sitzungen mit der CDU abgesagt. Außerdem fielen ihm schon ein paar Punkte ein, die der CDU besonders wichtig seien und den Grünen weniger. Klingt nach Revanchefo­ul.

Nach einem Treffen mit den CDU-Granden Strobl und Reinhart verhängte Grünen-Regierungs­chef Winfried Kretschman­n für beide Seiten einen Maulkorb. Kretschman­n hat am Dienstag zwar darauf gepocht, dass der Koalitions­vertrag einzuhalte­n sei. Aber für die Sache geworben hat er ebenso wenig wie Strobl. Von Kretschman­n wird ein aufschluss­reicher Satz kolportier­t. Er sage nix zu dem Projekt. Denn wenn er seine Meinung kundtue, riskiere er ein Amtsentheb­ungsverfah­ren, angestreng­t von den eigenen Leuten. Kretschman­n gilt als Gegner, da er in einem Wahlverfah­ren über die Kandidaten­liste selbst den Sprung nicht ins Parlament geschafft hätte.

 ?? Foto: dpa ?? Winfried Kretschman­n
Foto: dpa Winfried Kretschman­n

Newspapers in German

Newspapers from Germany