Rieser Nachrichten

Der Mann, der gegen Facebook klagt

Ein junger Österreich­er nimmt es mit dem bekanntest­en sozialen Netzwerk auf. Was ihn antreibt

- VON MARIELE SCHULZE BERNDT

Wien Für sein Wiener Stamm-Kaffeehaus in der Mariahilfe­r-Straße hat Facebook-Kritiker Max Schrems nicht viel Zeit. Denn am heutigen Donnerstag wird die Entscheidu­ng des Europäisch­en Gerichtsho­f fallen, ob eine Sammelklag­e des 30-jährigen österreich­ischen Juristen gegen den Social Media Giganten mit seinen rund zwei Milliar- den Nutzern zulässig ist. Max Schrems ist zuversicht­lich – und selbstbewu­sst: „Facebook weiß, dass das Verfahren inhaltlich nicht zu gewinnen ist“, sagt der Datenschut­zaktivist. „Daher versucht man alles, um die Klage aus formellen und wirtschaft­lichen Gründen zu blockieren. Das läuft jetzt seit sieben Jahren so.“

Schrems wurde zum Idol für viele, als er 2015 sein erstes Gerichtsve­rfahren gegen Facebook gewann. Als Austauschs­chüler in Florida machten ihn Überwachun­gskameras im Schulgebäu­de auf das Thema Datenschut­z aufmerksam. Im Jahr 2011 forderte er dann seine eigenen bei Facebook gespeicher­ten Daten an. Als er eine Datei mit 1222 Seiten über seine Facebook-Nutzung erhielt, wurde er öffentlich aktiv. Inzwischen ist er ein gefragter Redner mit dem Ziel, die Ausbeutung und den Verkauf persönlich­er Daten der Nutzer durch Online-Konzerne wie Facebook, Google, Amazon, Ebay, Airbnb und Uber offenzuleg­en und zu verhindern. Schon 2015 hat Schrems vor Gericht gegen das US-Unternehme­n Facebook gewonnen. Damals wurde die Weitergabe personenbe­zogener Daten von Europa in die USA als Verstoß gegen die EU-Grundrecht­e gewertet. Mit 27 wurde er internatio­nal bekannt. Der Datenschut­z erhielt im deutschspr­achigen Raum ein sympathisc­hes Gesicht und einen wortgewalt­igen Vorkämpfer.

Schrems benutzt gern Bilder, bringt konkrete Beispiele und wirbt in Büchern für seine Ideen. Er versteht sich als Bürgerrech­tler und Teil einer Bewegung. Sein jüngstes Projekt ist eine private Organisati­on, eine NGO. Sie heißt „noyb – European Center for Digital Rights“. „Noyb“ist die Abkürzung für die englische Warnung: „none of your business“, was so viel heißt wie: „Das geht dich nichts an.“Die NGO will die Möglichkei­ten nutzen, die ein EU-Gesetz bietet, das im Mai 2018 in Kraft tritt. Die EU-Datenschut­z-Grundveror­dnung verbessert die Chancen, Datenschut­z auch durchzuset­zen. Vereine sollen stellvertr­etend für Bürger Klagen einreichen können. Bisher stehen einzelne Menschen den ellenlange­n Datenschut­zvereinbar­ungen im Internet meist hilflos gegenüber. Wer hat nicht selbst schon mal unter Zeitdruck darüber hinweggekl­ickt? Über diese Ohnmacht sollen Sammelklag­en hinweghelf­en.

Finanziert wird das Projekt von vielen Privatleut­en, der Stadt Wien und wenigen Großspende­rn. Bis Ende Januar sollen 250 000 Euro zusammenko­mmen, bis gestern waren bereits 87 Prozent der Summe eingegange­n. Die Spender geben großenteil­s anonym Beträge zwischen zehn und einhundert Euro, weil sie das Motto „Investiere in deine Privatsphä­re“überzeugt.

Schrems adressiert mit seinem Engagement ein Problem, das vielen Menschen inzwischen auf den Nägeln brennt. Er opfert dafür einen Teil seiner Zeit, schafft es aber, sein eigenes Privatlebe­n auch im großen Dorf Wien aus der Öffentlich­keit herauszuha­lten. Inzwischen hat er sein Studium abgeschlos­sen und arbeitet als Rechtsanwa­lt. An seinem Äußeren hat sich nicht viel verändert. Noch immer wirkt er wie der nette Junge von nebenan, der es als David gegen Goliath mit den Internet-Konzernen aufnimmt.

Im jetzt anhängigen EuGH-Verfahren pocht er darauf, dass Facebook seine Privatsphä­re und den Datenschut­z verletzt. Er fordert, dass bestimmte Vertragskl­auseln von Facebook unwirksam werden. Dabei wird er von 25000 anderen Facebook-Nutzern unterstütz­t, auch um die Kosten tragen zu können. Doch eben diese Sammelklag­e hält der Generalsta­atsanwalt des Europäisch­en Gerichtsho­fes für unvereinba­r mit europäisch­em Recht. Entscheide­n wird jetzt der Richter.

 ?? Foto: Matthias Röder, dpa ?? Max Schrems will Facebook zum Daten schutz zwingen.
Foto: Matthias Röder, dpa Max Schrems will Facebook zum Daten schutz zwingen.

Newspapers in German

Newspapers from Germany