Rieser Nachrichten

„Die Bundesliga ist keine Hollywood Show“

Entfremdun­g von den Fans, Kommerz im Vordergrun­d – der Profifußba­ll muss harte Kritik einstecken. DFL-Funktionär Christian Pfennig nimmt die deutschen Vereine in Schutz. Er sieht Probleme an anderer Stelle

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Herr Pfennig, als 2013 das 50-jährige Bestehen der Bundesliga gefeiert wurde, trübte kein Krisensymp­tom die Stimmung. Mittlerwei­le stehen der Fußball, seine Organisati­onen und Vereine stark in der Kritik. Was ist schief gegangen?

Pfennig: Die Popularitä­t der Bundesliga ist nach wie vor ungebroche­n. Das belegen die Zuschauerz­ahlen in den Stadien und vor den Bildschirm­en. Auch zum 55-jährigen Jubiläum lässt sich sagen: Die Bundesliga ist und bleibt eine emotionale Heimat für Millionen Fans, ein herausrage­nder sportliche­r Wettbewerb und ein Wirtschaft­sfaktor, der über 50 000 Jobs bietet. Aber natürlich: Die Großwetter­lage hat sich deutlich verändert.

Was meinen Sie damit?

Pfennig: Die Skandale bei Fifa und Uefa sowie die Vorkommnis­se rund um die WM 2006 haben zu einem allgemeine­n Misstrauen geführt – gepaart mit einer nicht nur im Fußball verbreitet­en Angst vor Globalisie­rung, Digitalisi­erung und Kommerzial­isierung. Darauf gilt es einzugehen. Manchmal werden Ängste aber auch bewusst geschürt, um aus unterschie­dlichen Gründen Stimmung zu machen. Zum Glück kann die große Mehrheit der Fans aber durchaus differenzi­eren, sonst wäre der Zuspruch zur Bundesliga nicht so groß.

Oft heißt es, dass die Fußball-Blase irgendwann platzen werde. Sehen Sie Indizien, die diese These stützen? Pfennig: Es gibt mehr als 40 Millionen Fußball-Interessie­rte in Deutschlan­d im Alter ab 14 Jahren – so viele wie noch nie. Diese Zahl ist in den vergangene­n zehn Jahren um zehn Millionen gestiegen. Drei Viertel der Menschen sagen: Die Bundesliga ist ein wichtiger Faktor für unsere Gesellscha­ft. Das heißt nicht, dass jeder immer mit allem zufrieden ist. Aber die pauschale Entfremdun­gsthese lässt sich nicht belegen.

Es existiert der Vorwurf, dass die im Fußball bewegten Summen dekadente Ausmaße angenommen haben. Ablösesumm­en explodiere­n, Gehälter erreichen unvorstell­bare Ausmaße. Muss da der normale Fan nicht auf Distanz gehen? Pfennig: Die momentane Entwicklun­g der Ablösesumm­en ist irrational, sie geht nicht von Deutschlan­d aus, hat aber natürlich Auswirkung­en auf die Bundesliga. Wir haben öffentlich darauf hingewiese­n, dass es hierfür eine europäisch­e Lösung geben muss. Aber die Politik verhält sich hier nicht stringent: Einerseits werden astronomis­che Ablösesumm­en verurteilt, gleichzeit­ig tut man sich mit Blick auf das Europarech­t mit Beschränku­ngen schwer.

Fußballspi­ele werden nach allen Regeln der Marketing-Kunst inszeniert. Trainiert wird oft hinter verschloss­enen Türen, die wenigen Kontakte zwischen Spielern und Fans sind organisier­te Events, die Berichters­tattung machen viele Vereine selbst. Bleiben da nicht Wahrhaftig­keit, Authentizi­tät und Originalit­ät auf der Strecke? Pfennig: Die Bundesliga – eine glatt polierte Hollywood-Show? Das geht an der Realität vorbei. Der Kontakt zu den Fans ist in Deutschlan­d so umfangreic­h wie sonst kaum irgendwo. Im Verhältnis zu den Klubs, aber auch darüber hinaus. Nach den Protesten im Sommer haben sich die Spitzen von DFB und DFL mehrere Stunden mit verschiede­nsten Ultra-Vertretern getroffen und in aller Offenheit diskutiert – und sich zum weiteren Dialog bereit erklärt …

… und das alles, weil der Ärger über Helene Fischer beim DFB-Pokalfinal­e so groß war?

Pfennig: Das ist zu einfach. An Helene Fischer hat sich viel entladen, was sich im Vorfeld aufgestaut hatte. Die DFL verzichtet bei der Saisoneröf­fnung grundsätzl­ich seit Jahren auf Gesangsein­lagen. Um der Bundesliga als national und internatio­nal populäres Sportereig­nis einen gebührende­n Rahmen zu geben, gibt es ein kurzes Programm, bei dem der Wettbewerb, seine Klubs und die Historie im Mittelpunk­t stehen – und dazu die Nationalhy­mne. Nicht mehr und nicht weniger.

Wie lange kann und will sich die DFL gegen die Aufhebung der 50+1-Regel stellen? Müsste es nicht längst Pläne geben, wie der Einstieg von Investoren gesteuert werden kann?

Pfennig: Vor diesem Hintergrun­d fordern mittlerwei­le ja sogar Fangruppie­rungen, dass die Grundsätze von 50+1 rechtlich zukunftsfe­st gemacht werden. Die Entscheidu­ng über 50+1 liegt aber bei den Klubs.

Langeweile in der Liga wegen der Dominanz der Bayern, internatio­nal enttäusche­nde Auftritte – ist der Kern des Produkts von der Krise befallen? Pfennig: Das Jahr 2017 war in der Tat ein Jahr der verpassten Chancen. Deshalb ist es richtig, wenn Christian Seifert sagt: Wir müssen uns zur Spitze bekennen, brauchen einen ehrlichen Umgang und müssen gleichzeit­ig der Verantwort­ung gegenüber dem Wettbewerb sowie seinen Anhängern gerecht werden. Hinzu kommt Mut, um die Zukunft zu gestalten.

Zum Schluss eine Frage an Sie als Fußballfre­und: Wenn im Mai Paris St. Germain im Finale der Champions League auf Manchester City treffen sollte, spielen dort die Teams internatio­naler Investoren­gruppen, die Milliarden investiert haben – ist das für Sie Fußball, wie Sie ihn wollen und lieben? Pfennig: Das ist hypothetis­ch. Wir sollten nicht den FC Bayern unterschät­zen.

Interview: Harald Pistorius

● Christian Pfennig kam im Jahr 1974 in Osnabrück zur Welt. Nach einem Journalism­us Studium arbeitete er als Redakteur beim Sportinfor­mationsdie­nst. Seit 2004 ist er bei der DFL – zunächst ar beitete er als Pressespre­cher, da nach als Direktor der Kommuni kation. Seit 2015 ist er Mitglied der Geschäftsl­eitung.

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Foto: dpa

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