Rieser Nachrichten

Ein wahres Kino-Wunder

- VON WOLFGANG SCHÜTZ kino@augsburger allgemeine.de

Mag die Zentralisi­erung im Kino-Geschäft auch weiter zunehmen und mögen in Deutschlan­d 2017 über 70 Prozent des Umsatzes auf 20 Filme entfallen sein – es gibt sie trotzdem noch, die kleinen Wunder. Wie Marcus H. Rosenmülle­rs „Wer früher stirbt, ist länger tot“mal eines war. Nur ist das aktuelle noch viel wundersame­r.

Es heißt „Weit“, wurde von keinem Filmstudio verantwort­et, von keinem Regisseur gedreht, hatte keinen Filmverlei­h, wurde nicht beworben. Und es war 2017 nicht nur der erfolgreic­hste Dokumentar­film in Deutschlan­d, sondern auch erfolgreic­her als „Lommbock“oder „Gregs Tagebuch“, als „Resident Evil“oder „Geostorm“und nur knapp hinter dem letztjähri­gen Oscar-Sieger „Moonlight“und Fatih Akins „Aus dem Nichts“. Über 400 000 Zuschauer haben „Weit“bislang gesehen und bald ein Jahr nach der Premiere läuft er noch immer in vielen kleinen Kinos.

Es begann damit, dass ein Pärchen aus den Aufnahmen von einer dreieinhal­bjährigen Weltreise einen Film machte und diesen Freunden in Freiburg zeigte. Patrick Allgaier und Gwendolin Weisser waren also Hauptdarst­eller, Produzente­n, Regisseure… – das Marketing besorgte dann allein die Begeisteru­ng von Mund zu Mund und im Netz. Die Zauberform­el dieser 129 Minuten im herrschend­en Spektakelk­ino lautet: Authentizi­tät. „Die Geschichte von einem Weg um die Welt“nämlich kennt keine Inszenieru­ng, strebt aber auch keine Tiefe an, sondern bildet – 100 000 Kilometer immer ostwärts – einfach unmittelba­r das Leben ab. Das größte Abenteuer ist auch nicht gefährlich, sondern: dass Allgaier/ Weisser dabei Eltern werden.

Man muss das ja nicht super finden. Aber doch hübsch, dass – nach Millionen Diavorträg­en und mit Erlebnisbe­richten vollgefase­lten „sozialen Netzwerken“– ausgerechn­et sowas zum Wunder wird.

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