Sie hat das „Foto Gen“
Irina Wagner erlernte die Fotografie von der Pike auf und übernahm nun das elterliche Geschäft in der Nördlinger Innenstadt
Nördlingen Immer seltener gibt es solch eine enge Verbindung zwischen Familie, Beruf und Geschäft: Irina Wagner wuchs im Fotohaus Hirsch auf, wo ihre Mutter Elfi Wagner schon ihre Lehre als Fotografin machte, und das sie seit 1967 mit ihrem Mann Wolfgang zusammen führt. Elfi Wagner ist zuständig für Porträts, Hochzeiten und Studioaufnahmen und Reportagen bei gesellschaftlichen Anlässen wie Bällen, Empfängen oder Besuchen von Prominenten wie seinerzeit Gerd Müller; außerdem bildete sie etliche Nördlinger Fotografen aus. Wolfgang Wagner kümmert sich um den Ladenverkauf und macht ebenfalls Reportagen. So erweiterte er das übernommene Archiv zu einem unvergleichlichen Dokument der Nördlinger Nachkriegsgeschichte, bei dem sich auch die Rieser Nachrichten immer wieder bedienen.
Irina verspürte schon als Kind beim Spielen in Laden und Studio das von der Mutter vererbte „FotoGen“und antwortete als kleines Mädchen auf die Frage, was sie denn einmal werden möchte: „Ich will den Laden übernehmen.“Am 1. Januar war es so weit, sie ist jetzt die Chefin. Schon als Schülerin assistierte sie in den Ferien und an den Wochenenden der Mutter bei den Auswärts-Terminen, baute die Kamera auf und legte den Film ein, richtete die Aufheller-Schirme aus. Dank ihres klaren Berufsziels belegte sie schon in der Realschule Maria Stern den künstlerischen Zweig und Rechnungswesen. 1990 trat sie ihre Lehre im Fotohaus Hirsch an – in Elfi Wagner, Meisterin und Vorsit- zende der Handwerkskammer-Prüfungskommission der Fotografeninnung Schwaben und Oberbayern, hatte sie eine erstklassige Lehrerin. Nach deren Vorbild erweiterte sie immer wieder ihren Horizont: Das zweite Lehrjahr absolvierte sie bei einem Fotografen in Augsburg; später war sie ein halbes Jahr in Kiel an der Fachschule des deutschen Fotohandels, wo sie als Voraussetzung für die Ausbilder-Eignungsprüfung der IHK die Feinheiten von Videomitschnitt, Kamerakunde und Men- schenführung lernte. Weitere drei Monate assistierte sie in Köln in der Fotowerkstatt Michael Belz, damals dem einzigen deutschen Weiterbildungszentrum für Fachfotografen. Bei Seminaren, die sie dort organisierte, schaute sie Top-Fotografen aus ganz Europa über die Schulter, lernte modernste Technik und Material kennen.
Irina Wagner geriet voll in die digitale Revolution der Fotografie hinein. Viel Technisches, was sie erlernt hatte, war später überflüssig, dennoch ist sie froh, das Handwerk solide von der Pike auf gelernt zu haben. Für sie steht die Kreativität im Vordergrund: „Der Fotograf muss in erster Linie ein gutes Auge fürs Motiv haben.“So ist sie schon lange beispielsweise bekannt für ihre natürlichen und lebendigen Hochzeits-Reportagen, zu denen sie ihre ausgefallen eingefangenen Aufnahmen unter anderem auf plakatgroßen Collagen zusammensetzt.
Ende der 90er Jahre spürte sie endgültig, wie eine neue Zeit anbrach. Also arbeitete sie drei Monate lang als Assistentin in einem der noch ganz seltenen rein digitalen Fotostudios in Köln. Wieder zu Hause, schaffte sie einen PC mit Photoshop und eine Digital-Spiegelreflexkamera an. Die erste komplette Umstellung betraf die Passbild-Anlage, wo Kunden nunmehr vor dem Papierausdruck die Aufnahmen sehen und auswählen konnten. Nach und nach wurde alles digitalisiert. Irina Wagner sieht diese Entwicklung „mit einem lachenden und einem weinenden Auge“: Sie selbst hat mehr Freiräume bei FotoInszenierungen, da sie mehr aus der Hand fotografieren und die Szenen spontaner und beweglicher inszenieren kann. Bilder lassen sich unbegrenzt mit Filtern, Farbtönen, eingeblendeten Schriften und Formen bearbeiten bis hin zur perfekten Reproduktion alter Aufnahmen. „Doch im Alltag hat das Foto an sich viel an Wertigkeit verloren, ist nur noch ein alltägliches Massenprodukt auf dem Handy“, sagt sie. In ihrem Geschäft will sie jedenfalls die kreativ anspruchsvolle Fotografie in modernisierten Räumen noch weiter ausbauen.