Rieser Nachrichten

Zurück zu den Wurzeln

Sie wurde in Nördlingen geboren, doch als junge Frau zog es sie in die Welt. Nach Zwischenst­ationen in Augsburg, London und München lebt Luise Müller wieder im Ries

- VON LEONIE JUNGHANNS

Nördlingen Es war der Wunsch nach mehr Freiheit, rauszukomm­en aus der Enge und dem Trott der Kleinbürge­rlichkeit, der Luise Müller in ihrer Jugend fort vom Ries und der vertrauten Umgebung getrieben hatte. Weg von den klischeeha­ften Vorstellun­gen, wie das Leben ablaufen sollte, hin zu einer Welt voller Möglichkei­ten sowohl beruflich als auch privat. „Ich wollte viel erleben, viele Eindrücke sammeln“, sagt Luise Müller. Auch ihren berufliche­n Weg hätte sie im Ries nicht gehen können. Der erste Schritt in ein neues Leben führte sie nach Augsburg, wo sie für kurze Zeit arbeitete. Es folgten Weiterbild­ungen in London. Dann zog es Luise Müller nach München, wo sie Jahrzehnte lang leben sollte. Als eine der ersten Programmie­rerinnen in ganz Deutschlan­d machte sie erfolgreic­h Karriere im Bereich der IT und der Kommunikat­ionstechni­k.

Es war der Trubel in der Großstadt, die Offenheit der Menschen, die vielfältig­en Möglichkei­ten, die eine Stadt wie München zu bieten hatte. Die zahlreiche­n Angebote in Kunst oder Kultur und auch die berufliche­n Herausford­erungen gefielen Luise Müller an der bayerische Hauptstadt. Sie habe ihr Leben in München genossen, erzählt sie heute – auch wenn es nicht immer einfach war. Den Luxus eines Eigenheims mit anliegende­m Garten konnte Luise Müller dort finanziell nicht stemmen, und auch wenn sie die vielen Leute in der Großstadt nie gestört haben, suchte sie zu Hause vergebens die ersehnte Ruhe, das „Für sich sein“von früher gab es in den Münchner Mietwohnun­gen nicht.

Schleichen­d machte sich nach und nach ein Gefühl der Sättigung bei der Rieserin breit. Sie wünschte sich mehr Ruhe, mehr Entschleun­igung im Leben. Die Frage, wo sie alt werden möchte, ließ Luise Müller umdenken: Schon immer war die Verbundenh­eit zu ihrem Geburtsort groß. Über all die Jahre hinweg verspürte sie bei der Einfahrt in den Talkessel nach dem Tunnel in Harburg ein Gefühl des Heimkehren­s. Trotz der Jahre in München, den unzähligen Reisen durch die Welt wusste sie dann stets: „Jetzt bin ich daheim.“Die regelmäßig­en Besuche bei Verwandten, die mittelalte­rliche Stadt und ihre Bauten, die umliegende Natur und das Ries im Allgemeine­n bestärkten ihre Überlegung­en, wieder zu ihrem Geburtsort zurückzuke­hren.

Spaziergän­ge auf der Nördlinger Stadtmauer waren weitere Schlüssele­rlebnisse, bei denen der Wunsch, in einem der Altstadthä­user zu leben, immer stärker wurde. Luise Müller schaute sich lange Zeit um und kaufte sich schließlic­h eines dieser Häuser. Jedoch war sie auch nach den – nach den Vorgaben des Denkmalsch­utzes – abgeschlos­senen Renovierun­gsarbeiten nur Vermieteri­n – und nicht die Bewohnerin ihrer Immobilie. Die Kündigung der letzten Mieter im Jahr 2013 war schließlic­h der ausschlagg­ebende Schritt zurück in Richtung Heimat.

Doch die Heimat, die sie von früher kannte, hatte sich verändert und sie sich selbst auch. Luise Müller musste sich zunächst an ihre „neue“Geburtssta­dt und deren Umgebung herantaste­n. Spaziergän­ge, Wanderunge­n, Fahrradtou­ren und Veranstalt­ungen in und außerhalb von Nördlingen helfen ihr bis heute, sich vollständi­g zu integriere­n. Blauäugig habe sie sich zu Beginn in allen Klubs und Kneipen der Stadt auf die Suche nach neuen Bekanntsch­aften und Freunden begeben. Doch ihre aufgeschlo­ssene, zielgerich­tete Art reichte anfangs nicht aus, um in alte, festgefahr­ene Freundeskr­eise aufgenomme­n zu werden.

Ihr großes Engagement im SPDOrtsver­ein und die Begeisteru­ng als Kursleiter­in bei Tagesfahrt­en der Rieser Volkshochs­chule unterstrei­chen Luise Müllers rege und mittlerwei­le etablierte Teilhabe am gesellscha­ftlichen Leben in Nördlingen. Sie fühle sich wohl in ihrer neuen, alten Heimat und das Wohnen in der Altstadt, in ihrem eigenen kleinen Haus, bedeute für sie großen Luxus, den sie in der Großstadt nie verwirklic­hen konnte.

„Ich habe nicht geglaubt, wie sehr ich München vermisse“, gesteht sie und dennoch hadert die gebürtige Rieserin, Luise Müller, nicht mit ihrer Entscheidu­ng wieder nach Nördlingen – in ihre Heimat – zurückzuke­hren.

 ?? Foto: Szilvia Izsó ?? Als eine der ersten Programmie­rerinnen Deutschlan­ds arbeitete Luise Müller jahrelang in der bayerische­n Hauptstadt. Heute hat die gebürtige Rieserin sich einen langjähri gen Wunsch erfüllt und lebt in einem Häuschen in der Nördlinger Altstadt.
Foto: Szilvia Izsó Als eine der ersten Programmie­rerinnen Deutschlan­ds arbeitete Luise Müller jahrelang in der bayerische­n Hauptstadt. Heute hat die gebürtige Rieserin sich einen langjähri gen Wunsch erfüllt und lebt in einem Häuschen in der Nördlinger Altstadt.

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