Wie schlimm ist Schwarzfahren?
Warum Bayern Wiederholungstäter weiterhin einsperren will
Augsburg Wer öfter in Bus oder Tram schwarzfährt, kann im Gefängnis landen. Aber ist das eigentlich sinnvoll? Unter den Justizministern der Länder ist ein Streit darüber entbrannt, ob Schwarzfahrer weiterhin als Straftäter behandelt werden sollen. Mehrere Länder, darunter Nordrhein-Westfalen und Brandenburg, wollen den Strafparagrafen aufweichen oder ganz streichen.
Denn die bisherige Regelung sei nicht verhältnismäßig, führe zu hohen Kosten und vollen Gefängnissen. Allein die Berliner Justiz hat mit rund 40 000 solcher Fälle im Jahr zu tun. Stattdessen soll Schwarzfahren nach dem Willen dieser Länder als Ordnungswidrigkeit eingestuft und mit einem „Strafzettel“geahndet werden. Auch der Deutsche Richterbund plädiert für eine Reform und fordert, die Verkehrsbetriebe sollten Zugangskontrollen einführen.
Bayern ist strikt gegen eine Gesetzesänderung. Der Schaden durch massenhaftes Schwarzfahren gehe jährlich in die Millionen. „Es darf nicht sein, dass Millionen rechtschaffener Pendler die Zeche für die freie Fahrt anderer bezahlen, indem die Fahrpreise immer teurer werden“, sagte Justizminister Winfried Bausback (CSU) unserer Zeitung.
Auch im Freistaat sind die Gefängnisse voll. Woran das liegt, lesen Sie auf
Ein Staat, der Schwarzfahrer oder Flüchtlinge ohne Pass und Visum ins Gefängnis steckt, begeht einen Fehler. Warum?
1. Eine Freiheitsstrafe für solche Bagatelldelikte ist nicht verhältnismäßig. Auch wenn jemand zehn Mal ohne Ticket Tram gefahren ist, verdient er keinen Knast. Ein Flüchtling verdient keinen Knast, nur weil er keine Papiere hat.
2. Dieser Irrweg ist teuer. In Bayern kostet ein Hafttag rund 105 Euro. Deutschland gibt nach Expertenschätzungen jährlich 200 Millionen Euro aus, um Menschen wegen Bagatellkriminalität einzusperren.
3. Der Aufwand ist zu groß. Die Gefängnisse sind voll, das Personal stark belastet. Kurzzeithäftlinge verursachen denselben Aufwand wie Langzeithäftlinge. Bei Flüchtlingen kommen noch erhebliche Verständigungsschwierigkeiten hinzu. Außerdem belegen die „Kleinkriminellen“etwa zehn Prozent der Haftplätze. Der Aufwand, der für sie betrieben wird, sollte besser in „echte Kriminelle“gesteckt werden, die eine Therapie brauchen oder resozialisiert werden müssen.
4. Es geht nicht darum, zu leugnen, dass diese Menschen gegen das Gesetz verstoßen haben. Es geht darum, eine Strafe zu finden, die Sinn ergibt. Gemeinnützige Arbeit ist zum Beispiel so eine Strafe. Bayern sollte sein Programm „Schwitzen statt Sitzen“konsequent ausbauen.
5. Die Verkehrsbetriebe tun zu wenig. Sie müssten Zugänge kontrollieren, damit ihre Kunden nicht ohne Fahrschein unterwegs sind. Das ist ihnen zu teuer. Daher muss der Staat die Folgen ausbaden.