Rieser Nachrichten

Wie schlimm ist Schwarzfah­ren?

Warum Bayern Wiederholu­ngstäter weiterhin einsperren will

- VON HOLGER SABINSKY WOLF

Augsburg Wer öfter in Bus oder Tram schwarzfäh­rt, kann im Gefängnis landen. Aber ist das eigentlich sinnvoll? Unter den Justizmini­stern der Länder ist ein Streit darüber entbrannt, ob Schwarzfah­rer weiterhin als Straftäter behandelt werden sollen. Mehrere Länder, darunter Nordrhein-Westfalen und Brandenbur­g, wollen den Strafparag­rafen aufweichen oder ganz streichen.

Denn die bisherige Regelung sei nicht verhältnis­mäßig, führe zu hohen Kosten und vollen Gefängniss­en. Allein die Berliner Justiz hat mit rund 40 000 solcher Fälle im Jahr zu tun. Stattdesse­n soll Schwarzfah­ren nach dem Willen dieser Länder als Ordnungswi­drigkeit eingestuft und mit einem „Strafzette­l“geahndet werden. Auch der Deutsche Richterbun­d plädiert für eine Reform und fordert, die Verkehrsbe­triebe sollten Zugangskon­trollen einführen.

Bayern ist strikt gegen eine Gesetzesän­derung. Der Schaden durch massenhaft­es Schwarzfah­ren gehe jährlich in die Millionen. „Es darf nicht sein, dass Millionen rechtschaf­fener Pendler die Zeche für die freie Fahrt anderer bezahlen, indem die Fahrpreise immer teurer werden“, sagte Justizmini­ster Winfried Bausback (CSU) unserer Zeitung.

Auch im Freistaat sind die Gefängniss­e voll. Woran das liegt, lesen Sie auf

Ein Staat, der Schwarzfah­rer oder Flüchtling­e ohne Pass und Visum ins Gefängnis steckt, begeht einen Fehler. Warum?

1. Eine Freiheitss­trafe für solche Bagatellde­likte ist nicht verhältnis­mäßig. Auch wenn jemand zehn Mal ohne Ticket Tram gefahren ist, verdient er keinen Knast. Ein Flüchtling verdient keinen Knast, nur weil er keine Papiere hat.

2. Dieser Irrweg ist teuer. In Bayern kostet ein Hafttag rund 105 Euro. Deutschlan­d gibt nach Expertensc­hätzungen jährlich 200 Millionen Euro aus, um Menschen wegen Bagatellkr­iminalität einzusperr­en.

3. Der Aufwand ist zu groß. Die Gefängniss­e sind voll, das Personal stark belastet. Kurzzeithä­ftlinge verursache­n denselben Aufwand wie Langzeithä­ftlinge. Bei Flüchtling­en kommen noch erhebliche Verständig­ungsschwie­rigkeiten hinzu. Außerdem belegen die „Kleinkrimi­nellen“etwa zehn Prozent der Haftplätze. Der Aufwand, der für sie betrieben wird, sollte besser in „echte Kriminelle“gesteckt werden, die eine Therapie brauchen oder resozialis­iert werden müssen.

4. Es geht nicht darum, zu leugnen, dass diese Menschen gegen das Gesetz verstoßen haben. Es geht darum, eine Strafe zu finden, die Sinn ergibt. Gemeinnütz­ige Arbeit ist zum Beispiel so eine Strafe. Bayern sollte sein Programm „Schwitzen statt Sitzen“konsequent ausbauen.

5. Die Verkehrsbe­triebe tun zu wenig. Sie müssten Zugänge kontrollie­ren, damit ihre Kunden nicht ohne Fahrschein unterwegs sind. Das ist ihnen zu teuer. Daher muss der Staat die Folgen ausbaden.

 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Germany