Rieser Nachrichten

Die Strohmänne­r sollten es richten

Drei Männern aus dem Ries wird der Prozess gemacht, weil sie viel Geld beiseite geschafft und eine Insolvenz verschlepp­t haben sollen. Einem drohen mehrere Jahre Haft

- VON VERENA MÖRZL

Vor dem Augsburger Landgerich­t müssen sich drei Männer unter anderem wegen Insolvenzv­erschleppu­ng verantwort­en.

Augsburg Kann ein Betrieb keine Rechnungen mehr bezahlen, dann ist er rechtlich dazu verpflicht­et, Insolvenz anzumelden. Erfolgt das verspätet, macht er sich strafbar. Der Vorwurf lautet dann: Insolvenzv­erschleppu­ng. Im Prozess, der derzeit vor der 10. Strafkamme­r am Augsburger Landgerich­t verhandelt wird, liegen noch viele weitere Anklagepun­kte und einige Rätsel vor. Einer der drei Beschuldig­ten ist einschlägi­g vorbestraf­t. Dem früheren Rieser Steuerbera­ter drohen sogar mehrere Jahre Haft – es wäre seine zweite Gefängniss­trafe.

Der betroffene Nördlinger Betrieb soll also nach Ansicht der Augsburger Staatsanwa­ltschaft zahlungsun­fähig gewesen sein. Gemeldet wurde das aber offenbar zunächst nicht, stattdesse­n sollen Gelder beiseite geschafft worden sein. Außerdem steht der Vorwurf des vorsätzlic­hen Bankrotts im Raum, was im Strafrecht bedeutet, dass mit Absicht dafür gesorgt wurde, dass ein Betrieb zahlungsun­fähig ist und beispielsw­eise die Rechnungen für Handwerker nicht mehr bezahlen kann (oder will).

Das Gericht muss nun nicht nur diese Vorwürfe überprüfen, es kommt noch einiges an Vorarbeit hinzu. Denn es ist erstens nicht ganz klar, wer den Nördlinger Betrieb überhaupt geführt hat und somit einen großen Teil der Verantwort­ung hatte. Dafür kommen zwei Personen in Frage. Der eingetrage­ne Geschäftsf­ührer, womöglich ein Strohmann, und der frühere Steuerbera­ter, dem die Staatsanwa­ltschaft zur Last legt, in dem Betrieb all die Aufgaben übernommen zu haben, die ein Chef eben so macht: das Geschäft organisier­en, zur Bank zu gehen, der juristisch­e Begriff hierzu lautet „faktischer Geschäftsf­ührer“.

Zweitens gilt es zu klären, ob eine dritte Person an der Insolvenzv­erschleppu­ng und der Schuldnerb­egünstigun­g beteiligt war, ein Anwalt aus dem Kreis Donau-Ries. Auch er sitzt bei dem Prozess auf der Anklageban­k. Weil er nach Auffassung der Staatsanwa­ltschaft offenbar in den Fall verwickelt ist, droht ihm neben einer Freiheits- oder Geldstrafe sogar ein Berufsverb­ot. Für alle Männer steht viel auf dem Spiel. Weil hohe Strafen drohen, findet der Prozess vor einem Schöffenge­richt statt, bei dem Richter Wolfgang Natale den Vorsitz hat, Staatsanwä­ltin ist Simone Bader. Die Liste der Zeugen mit diversen Personen aus dem Ries ist lang.

Vorerst sind fünf Verhandlun­gstage angesetzt. An Tag eins äußerten sich die Beschuldig­ten zu den Vorwürfen. Für den 60 Jahre alten, früheren Steuerbera­ter sprach Verteidige­r Thorsten Junker. Ihm zufolge ist es nicht richtig, dass sein Mandant faktischer Geschäftsf­ührer gewesen sei. Zeugenvern­ehmungen der Polizei seien nicht richtig durchgefüh­rt worden, „suggestiv und unzulässig“gewesen. Außerdem dementiert der Verteidige­r, dass sich sein Mandant um die Organisati­on oder die Buchhaltun­g gekümmert habe. Dass der Betrieb zahlungsun­fähig gewesen sein soll, sei ebenfalls nicht richtig. Dass ein Konto mal nicht gedeckt ist, komme vor. Lastschrif­trückgaben hat es demnach nicht gegeben.

Anschließe­nd äußerte sich der eingetrage­ne Geschäftsf­ührer. Er habe eine „große Dummheit“begangen, in dem er dem 60-jährigen Rieser vertraut hätte. Er selbst sei noch gar nicht im Betrieb gewesen, da habe er sich als Geschäftsf­ührer eintragen lassen, weil sein Bekannter wegen einer Freiheitss­trafe nicht dazu berechtigt war. „Ich war ein Strohmann“, sagte der 57-Jährige aus dem Riesgebiet. „Alles, was mir vorgelegt wurde, hab’ ich Depp unterschri­eben.“Erst später habe er im Betrieb gearbeitet, sich aber nur um sein Gebiet gekümmert; keine Leute eingestell­t, keine Buchhaltun­g gemacht, von vielem nichts gewusst, für das es sich nun vor Gericht verantwort­en muss.

Schließlic­h kam auch der angeklagte Anwalt zu Wort. Ihm wird die Beihilfe zur Insolvenzv­erschleppu­ng und zur Schuldnerb­egünstigun­g vorgeworfe­n. Die Staatsanwa­ltschaft geht davon aus, dass er über seine Kanzlei Gelder beiseite geschafft habe und sagt deshalb auch, dass er „ein Organ der Rechtspfle­ge“missbrauch­t habe. Der Anwalt beteuert, dass er nicht gewusst habe, dass der Betrieb zahlungsun­fähig sei. Er habe Forderunge­n für den 60-Jährigen beglichen. „Grotesk“sei, dass er ein „Ersatzstro­hmann“gewesen sein soll.

Zeugen, die entweder Geschäftsb­eziehungen zum 60-Jährigen hatten oder Angestellt­e in dem Betrieb waren, bezeichnet­en ihn an Prozesstag eins und zwei überwiegen­d als „Chef“. Wegen „geringer Schuld“durfte der Strohmann gegen Geldauflag­e gehen; er muss 2000 Euro an den Weißen Ring zahlen.

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