Rieser Nachrichten

Drogen: Ein Katz und Maus Spiel

Rund alle fünf Tage gibt es eine neue, leicht abgewandel­te Substanz. Welche Erfahrunge­n eine Notärztin gemacht hat, und warum die Mittel besonders heimtückis­ch sind

- VON DANIEL DOLLINGER

Landkreis Das Badezimmer ist schon teilweise verwüstet, als Notärztin Birgit Baier in der Wohnung des jungen Mannes eintrifft. Sie ist froh, dass die Polizei bereits vor Ort ist. Denn der 25-Jährige aus dem Landkreis hat Wahnvorste­llungen, er glaubt, weiße Würmer krabbeln aus seinem Körper. Er hat sich in Plastikfol­ie eingewicke­lt, um die Tierchen am Rauskriech­en zu hindern. Das, was er für Würmer hält, sind aber in Wahrheit kleine Schnipsel von Papiertasc­hentüchern. Der ganze Boden ist übersät damit. Ihn davon zu überzeugen, dass das keine Würmer sind, dauert eine Weile. Er hat sogenannte Modedrogen genommen. Getarnt als Kräutermis­chungen und Badesalze oder Lufterfris­cher werden sie angeboten. Die Wirkung dieser Drogen ist noch kaum erforscht, Studien gibt es keine, nur Fallberich­te. Und das macht die Drogen erst recht so gefährlich. „Konsumente­n machen sich somit zum Versuchska­ninchen“, sagt die Notärztin. Später kommt der junge Mann für einige Wochen in die Psychiatri­e.

Dieses Beispiel gehört sicherlich zu den gravierend­en Fällen, doch die Drogenprob­lematik ist auch im Landkreis präsent. Das macht Birgit Baier bei einer Infoverans­taltung in der Harburger Mittelschu­le deut- Neben Michael Deisenhofe­r, Prävention­sbeamter der Polizei Donauwörth, und Niels Pruin von der Caritas Suchtfacha­mbulanz Donauwörth, tritt sie als Expertin auf. Sie wird häufiger zu Einsätzen gerufen, bei denen Modedrogen im Spiel sind. Und eine Notfallthe­rapie falle dann oft schwer. Ein „Hinterherr­ennen der Symptome“sei es. Weil die Drogen unterschie­dlich wirken. Das liegt auch daran, dass die Zusammense­tzung der Stoffe immer wieder verändert wird.

Für die Gesetzeshü­ter entwickelt sich hier ein „Katz-und-MausSpiel“, drückt es Michael Deisenhofe­r aus. Das Betäubungs­mittelgese­tz, das den generellen Umgang mit den Drogen regelt, kann nicht den Stoff an sich, sondern nur die Formel, also die Zusammense­tzung verbieten. Wird eine neue Formel ins Gesetz aufgenomme­n, machen sich die Drogenprod­uzenten gleich daran, die Zusammense­tzung leicht zu verändern und somit, zumindest kurzfristi­g, wieder im legalen Raum zu agieren. Laut Statistik kommt alle fünf Tage eine neue Substanz auf den Markt. Auch über das Arzneimitt­elgesetz kann man keinen Verstoß geltend machen. Auf den Kräutermis­chungen wird vermerkt, dass man es nicht rauchen solle und außer Reichweite von Kindern aufbewahre­n muss.

Ein neues Gesetz, das Ende 2016 in Kraft trat, enthält laut Deisenhofe­r nun ganze Stoffgrupp­en und macht es den Beamten leichter, im Ernstfall einzugreif­en. „Wenn wir jemanden aufgreifen, der solche Drogen bei sich führt, dürfen wir die konfiszier­en“, erklärt Deisenhofe­r. Denn der Erwerb und Besitz ist verboten, weiter bestraft wird da nicht. Und noch eine Besonderhe­it weist das neue Gesetz auf: Wenn jemand, der über 21 Jahre alt ist, die Drogen an Minderjähr­ige abgibt, gilt das als Verbrechen und wird hart bestraft.

Bei den chemischen Drogen kommt dann noch hinzu, dass die Konsumente­n weder die Dosierung noch die Wirkung richtig einschätze­n können, sagt Niels Pruin. Bei einem Päckchen Kräutermis­chung, nennt Notärztin Baier ein Beispiel, werden auf drei Gramm Tabak die Cannabinoi­de drauf gesprüht oder gebröselt. Da ist der meiste Wirkstoff dann am Boden des Tütchens, den Letzten in der Runde trifft es somit viel härter.

Insgesamt sei, so der Eindruck der drei Experten, allerdings ein Rückgang am Konsum von solchen Modedrogen zu erkennen, gerade bei den Badesalzen sind die Wirkungen so extrem, dass ein Drittel nach dem ersten Einnehmen wieder die Finger davon lässt.

Doch was sollen Eltern tun, wenn sie vermuten, dass die Kinder drolich. genabhängi­g sind? Zunächst einmal müsse man vor allem Ruhe bewahren. Dann, so rät Experte Pruin, solle man das Verhalten des Kindes genau beobachten. Wie sieht es mit dem Appetit aus? Herrscht Heißhunger oder wird das Abendessen eher nicht angerührt? Auch beim Geld gilt es, die Augen offenzuhal­ten. „Und zwar nicht nur, wenn zu wenig Geld da ist, sondern auch zu viel. Oft werden Drogen weiterverk­auft, und 100 Euro mehr sind für Jugendlich­e schon enorm“, sagt Pruin. Zudem solle man sich ruhig trauen, auch mal das Kinderzimm­er unter die Lupe zu nehmen, ob sich da etwas Verdächtig­es finden lässt. Aber, das betont Pruin, selbst wenn es solche Hinweise gibt, können die andere Hintergrün­de haben. „Ein Gespräch in aller Ruhe und einer vertrauens­vollen Atmosphäre ist wichtig“, rät er. Das heißt, dass man als Eltern das Kind nicht auf die Gefahren von Drogen hinweisen soll, wenn man gerade im Auto ist und es zur nächsten Party fährt. „Es darf auch nicht der Eindruck entstehen, dass die typische Eltern-Kind-Rolle eingenomme­n wird“, denn da verschließ­e sich das Kind erst recht. Eine gemeinsame Ebene soll gefunden werden, am besten man verschaffe sich einen Gesamtüber­blick über die Situation des Kindes, um sich ein Stück weit in die Lage versetzen zu können.

 ?? Foto: Fredrik von Erichsen/dpa ?? Modedrogen, so genannte „legal highs“, machen der Polizei zu schaffen. Sie sind gefährlich, können im schlimmste­n Fall zum Tod führen und werden in ihrer Rezeptur immer wieder verändert. So macht sich jeder Konsument selbst zum Versuchska­ninchen.
Foto: Fredrik von Erichsen/dpa Modedrogen, so genannte „legal highs“, machen der Polizei zu schaffen. Sie sind gefährlich, können im schlimmste­n Fall zum Tod führen und werden in ihrer Rezeptur immer wieder verändert. So macht sich jeder Konsument selbst zum Versuchska­ninchen.

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