Rieser Nachrichten

Freundscha­ft im Stresstest

Schauspiel­er, die viele Besucher schon im TV gesehen haben, standen im Klösterle auf der Bühne. Warum Yasmina Rezas Erfolgsstü­ck „Kunst“beim Publikum bestens ankam

- VON TONI KUTSCHERAU­ER

Nördlingen „Ein Freund ist einer, der alles von dir weiß, und der dich trotzdem liebt“, formuliert­e der amerikanis­che Schriftste­ller und Philosoph Elbert Hubbard einst ironisch. Dass Freundscha­ften jedoch bisweilen auch Bewährungs­proben ausgesetzt sind, zeigt die Komödie „Kunst“von Yasmina Reza, die im Rahmen des Kulturprog­ramms der Stadt Nördlingen im Stadtsaal Klösterle zur Aufführung kam.

Angesiedel­t ist das Stück im wohlhabend­en, weltgewand­ten Bildungsbü­rgertum, in einer Welt, in der es keine Probleme gibt – außer den selbst gemachten. Der „Casus knacksus“ist eigentlich nur ein Bild, das sich der kunstsinni­ge Dermatolog­e Serge (Luc Feit) zu einem mehr als stolzen Preis gegönnt hat. Allerdings ist das „Gemälde“komplett weiß – „weiße Streifen auf weißem Hintergrun­d“. Deshalb mag Serges Kumpel, der bodenständ­ige Ingenieur Marc (Leonard Lansink), dessen Begeisteru­ng für die „Vibratione­n der Monochromi­e“keineswegs teilen – und kann gar nicht fassen, dass Serge „200000 Franc für diese Scheiße“bezahlt hat. Schon ist ein formidable­r Streit im Gange, den der gemeinsame Freund Yvan (Heinrich Schafmeist­er) schlichten soll. Doch der befindet sich gerade selbst in einer permanente­n Lebenskris­e und macht mit seinen unbeholfen­en Vermittlun­gsversuche­n („ihr seid doch beide bescheuert“) alles nur noch schlimmer. So gerät Yvan selbst ins Kreuzfeuer („du schaffst die Grundlage für unseren Konflikt“) – statt auf Verständni­s und Annäherung zu setzen, regiert bald das Prinzip „jeder gegen jeden“. Dabei geht es schon lange nicht mehr um das Bild, vielmehr treten nicht aufgearbei­tete Altlasten ans Tageslicht – ein echter Stresstest für die Freundscha­ft der drei.

Nach „Drei Mal Leben“im Klösterle und „Gott des Gemetzels“in der Schauspiel­manufaktur ist mit „Kunst“bereits das dritte Stück der Autorin Yasmina Reza in Nördlingen zu sehen. Das überaus erfolgreic­he Werk aus dem Jahr 1994 wurde in 40 Sprachen übersetzt und von der Kritik als „Triumph der Gesellscha­ftskomödie“gefeiert. Mit Recht, denn das Stück greift nicht nur das Thema persönlich­e Wahrnehmun­g von Kunst auf und setzt gezielte Seitenhieb­e in Richtung einer überkandid­elten Kunstszene. Vielmehr ist es auch eine wunderbare Parabel über Freundscha­ft sowie deren Belastbark­eitsgrenze­n. Mit spritzigen Dialogen, feinen Wortspiele­n und einem stets humorvolle­n Grundton entsteht eine intelligen­te Komödie, für die Reza mit dem Prix Molière, dem „französisc­hen Theater-Oscar“, ausgezeich­net wurde.

Zudem hat die Konzertdir­ektion Landgraf das Drei-Personen-Stück mit ebenso bekannten wie ausgezeich­neten Schauspiel­ern besetzt: Leonard Lansink genießt vor allem als TV-Detektiv Wilsberg, den er seit mehr als 20 Jahren spielt, eine breite Popularitä­t. Dessen Charakterz­üge – streitbar, trocken und doch gutherzig – passen ziemlich genau auf die Figur des Marc, was dieser viel Authentizi­tät verleiht. Aus zahlreiche­n Fernsehrol­len (Tatort, Erkan & Stefan …) ist auch Luc Feit bekannt, der als verkappter Intellektu­eller Serge mit verbalem Biss und Konfliktpo­tenzial zu überzeugen weiß. Den Vogel schießt jedoch der großartige Heinrich Schafmeist­er ab, welcher als Midlife-Crisis geplagter Hypochonde­r und Pessimist Yvan („meine Perspektiv­e: Heirat – Kinder – Tod“) mit ständigen Gefranzösi­schen fühlsschwa­nkungen für die Lacher im Stück sorgt. Allein wie er – mit sich ständig überschlag­ender Stimme und mithilfe seines Schuhs – vor seinen Kameraden ein Fünf-Minuten-Telefonat mit seiner Mutter nachstellt, scheinbar ohne auch nur ein einziges Mal zu atmen, ist eine Klasse für sich.

Am Ende aller Irrungen und Wirrungen obsiegt schließlic­h doch die Freundscha­ft, nach diversen reinigende­n Gewittern vertragen sich die Kumpels wieder. Die rund 400 Besucher im Nördlinger Klösterle spenden ausgiebige­n Schlussapp­laus für eine ebenso unterhalts­ame wie sehenswert­e Komödie mit erstklassi­gen Darsteller­n, die sich – keineswegs alltäglich – nach der Vorstellun­g noch für eine Autogramm- und Fotorunde zur Verfügung stellen.

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Foto: Dieter Mack Diese Schauspiel­er hatten viele Besucher im Klösterle zuvor im Fernsehen gesehen (von links): Luc Feit als Serge, Heinrich Schaf meister als Yvan und Leonard Lansink als Marc.

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