Rieser Nachrichten

SPD Basis ringt um Regierungs­bildung

Die Genossen stimmen derzeit darüber ab, ob ihre Partei in eine Koalition mit der CDU eintreten soll. Ein Besuch beim Wemdinger Ortsverein. Was der Kreisvorsi­tzende sagt

- VON CHRISTIAN MÜHLHAUSE

Wemding/Landkreis Die Basis der Sozialdemo­kratischen Partei Deutschlan­ds hat es in der Hand, ob es eine große Koalition auf Bundeseben­e geben wird oder nicht. Bundesweit sind 463 723 Mitglieder berechtigt, ihre Stimme bis zum 2. März abzugeben. Rund 500 davon leben laut SPDKreisvo­rsitzendem Christoph Schmid im Donau-Ries-Kreis. Längst nicht alle Genossen sind von der Idee begeistert, noch einmal gemeinsam mit der CDU und CSU zu regieren. Das zeigte sich auch bei einer Veranstalt­ung des Wemdinger Ortsverein­s, die unter dem Motto „GroKo Ja oder Nein“stand. Die Mitglieder diskutiert­en gut eineinhalb Stunden leidenscha­ftlich über das Für und Wider.

Einig waren sich alle Anwesenden darin, dass sich im vorliegend­en Koalitions­vertrag viele sozialdemo­kratische Positionen wiederfind­en. Die Ablehnung resultiert bei vielen Mitglieder­n eher daraus, dass die beiden vergangene­n großen Koalitione­n dazu führten, dass die SPD zwar inhaltlich einiges durchsetze­n konnte, aber davon bei den Wahlen überhaupt nicht profitiert­e. „Die Erfolge, die wir errungen haben, werden doch alle Angela Merkel gutgeschri­eben“, beklagte ein Teilnehmer. Der Ortsverein­svorsitzen­de Richard Graf begründet genau da- mit sein Nein. „Ich fühle mich der Partei verpflicht­et und lehne deswegen auch eine neuerliche große Koalition ab.“Dagegen gestimmt hat auch Bernd Schneid. „Jeder zweite Satz in dem Papier beginnt mit ,wir wollen’ und zum Thema Leiharbeit steht gar nichts drin“, beklagt er. Schneid fürchtet, dass es bei vielen Absichtser­klärungen bleibt.

Seine Meinung geändert hat hingegen in den vergangene­n Wochen Hans Rink. Auch für ihn kam ursprüngli­ch eine Neuauflage des Bündnisses mit der Union nicht in Frage. „Was unser Verhandlun­gsteam rausgeholt hat, war aber phänomenal. Merkel hätte uns alles gegeben, um Kanzlerin zu bleiben“, begründet er sein Umdenken. Was für ihn auch ein wichtiger Punkt ist, ist dass seine Partei nach zwei Jahren erneut entscheide­t, ob sie die gesamte Legislatur von vier Jahren in der Regierung bleibt. „Wenn unsere ausgehande­lten Punkte nicht umgesetzt werden, haben wir eine gute Argumentat­ionsbasis gegenüber den Wählern, warum wir die Regierung verlassen.“

Auch Walter Hönle zieht ein positives Fazit. Seine Partei habe mehr herausgeha­ndelt als er erwartet habe. Er hält es für wichtig, dass eine Mehrheit für die Regierungs­beteiligun­g zustande kommt. „Wenn wir uns jetzt der Verantwort­ung entziehen, dann sind wir ge- nauso fahnenflüc­htig wie die FDP. Das werden uns die Menschen ankreiden“, mahnte er.

Ein leidenscha­ftlicher Befürworte­r der großen Koalition ist auch Hans Großkopf. Er verwies darauf, dass unter anderem der Zusatzbeit­rag für Arbeitnehm­er bei der Krankenkas­se wegfallen soll und sich die Arbeitgebe­r an der Betriebsre­nte beteiligen müssen, die derzeit noch der Arbeitnehm­er voll trage. Auch das geplante Baukinderg­eld und die Lockerung der Regeln bei den Zulassunge­n von Ärzten im ländlichen Raum sowie strengere Regeln bei der Befristung von Arbeitsver­trägen hob er hervor. „Kommt es wirklich zu Neuwahlen, haben wir eine konservati­ve Mehrheit und dann ist das alles hinfällig“, warnte er. Die vergangene­n Jahre nach den Hartz-IVReformen seien für die Sozialdemo­kraten hart gewesen, aber jetzt, da die Wirtschaft brumme, sei es an der Zeit, „die Kuh zu melken und den Menschen mit kleinen und mittleren Einkommen etwas zurückzuge­ben.“

Kontorvers diskutiert wurde auch darüber, ob die SPD nicht lieber in die Opposition gehen sollte und sich dann Mehrheiten für die eigenen Anliegen suchen soll. Dies befürworte­te unter anderem Bernd Schneid. „Angela Merkel muss auch liefern, das ist unsere Chance.“Anders sieht Rink die Situation. Wenn man mit der Union stimme, werde man trotzdem als deren Partner wahrgenomm­en, das helfe der Partei nicht. Roßkopf hingegen glaubt nicht, dass sich Merkel auf eine Minderheit­sregierung einlässt, schließlic­h habe sie dies bereits wiederholt ausgeschlo­ssen. „Wenn es dann zu Neuwahlen kommt, landen wir vermutlich hinter der AfD“, fürchtet er.

Schätzt der SPD-Kreisvorsi­tzende Christoph Schmid die Stimmung richtig ein, gibt es nicht nur in Wemding, sondern im ganzen Landkreis eine Mehrheit für den Koalitions­vertrag. „Ich erwarte eine Zustimmung von rund 60 Prozent auf Bundeseben­e. Nach den Gesprächen in unserer Region vermute ich, dass der Anteil hier sogar noch darüber liegen wird.“Er selbst habe auch „aus Mangel an Alternativ­en“und mit „Bauchschme­rzen“zugestimmt, so Schmid. Eine Regierungs­bildung mit der CDU hält er für deutlich einfacher als mit der CSU. Die bayerische Schwesterp­artei habe zuletzt diverse Arbeitsmar­ktreformen, beispielsw­eise bei der sachgrundl­osen Befristung oder dem Rückkehrre­cht in eine Vollzeitst­elle, blockiert. Auch er sieht bei der Union jetzt eine „Bringschul­d“und befürworte­t die Entscheidu­ng, nach zwei Jahren zu schauen, welche Inhalte der Sozialdemo­kraten wirklich umgesetzt wurden.

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