So wichtig war und ist der Stammtisch
In alten Wirtshäusern trafen sich einst die örtlichen Honoratioren an einem speziellen Tisch – auch in Maihingen. Welche Geschichten dort erzählt wurden
Ries In Deutschland gehörte der Stammtisch früher zur festen Einrichtung einer jeden Wirtschaft. Geredet wurde nicht viel – schon gar nicht bei der Arbeit auf dem Felde. Dafür umso mehr in den Wirtshäusern, nach dem Kirchgang oder beim „Hoirles“.Vor allem in ländlichen Regionen und kleineren Gemeinden war die Zugehörigkeit zum Stammtisch an einen höheren Sozialstatus gebunden. So setzte sich ein Dorfstammtisch bis weit in die zweite Hälfte des 20. Jahrhunderts vor allem aus örtlichen Honoratioren wie dem Bürgermeister, Arzt, Apotheker, Lehrer, Förster oder wohlhabenden Bauern zusammen. Die Einladung, am Stammtisch Platz zu nehmen, galt als besondere Wertschätzung.
Stammtische waren meist an markanter Stelle in der Gaststube platziert. Gekennzeichnet war dieser Tisch mit einem speziellen Schild, einem Aschenbecher, einer Glocke oder anderen Hinweisschildern. Oft stand der Tisch neben dem Kachelofen oder neben der Theke. Stammtische gab und gibt es in vielfältiger Form für Eltern, Lehrer, Literaten, Jäger und Fischer, Handwerker, Bauern, Postler, also für Berufsgruppen aller Art. Aber auch Interessengemeinschaften haben ihren Stammtisch, so Selbsthilfe- und Fangruppen, Stammbaum- oder Schmalzlerfreunde.
Früher waren Stammtische reine Männersache, und es war unvorstellbar, dass eine Frau an der Männerrunde teilgenommen und ihren
Mann beim Frühschoppen oder beim Dämmerschoppen besucht hätte. Heute treffen sich auch Frauen zum Frauenfrühstück, „Mädelstreff“, „Weiberabend“und nach dem Sport oder zu Runden mit unterschiedlichen Themen. Die enge Sozialordnung hat sich im Laufe der letzten Jahrzehnte aufgelöst, und so sind die Zusammenkünfte heute offener und flexibler. Caritasdirektor und Prälat Hermann Lutz wies bei jeder seiner Allerheiligenpredigten in Hirschbrunn darauf hin, dass „Kirche und Dorfwirtschaft zusammengehören“. An beiden Orten werde „Communio“gepflegt.
So freizügig man heute gerade bei vorgerückter Stunde seiner Meinung freien Lauf lässt, so gefährlich war es während der NS-Herrschaft, sich in irgendeiner Form offen und öffentlich zu äußern. Eine falsche Bemerkung – und schon war die Gestapo zur Stelle und verhaftete den mutigen Redner.
Stammtische sind für viele Besucher ein regelmäßiges Pflichtprogramm. Ein echter Stammtischbruder war der Herr Trüdinger aus Heuberg, genannt „Jodel“. Er tuckerte bis in die 80er Jahre täglich am frühen Vormittag mit seinem „12er Eicher“von Heuberg nach Maihingen zum Huber ins „Gasthaus zu Sonne“. Es könnte einem ja was entgehen! Jeder Besuch versprach wichtige Informationen, aber vor allem einige lustige Stunden mit viel „dummen Sprüchen“, Gefrotzel und lustigen Anekdoten. Der „alt Huber z‘Moing“war hier auch ein Garant dafür, dass ordentlich „aufgeschnitten“wurde, sei es über das Wildern in den fürstlichen Jagdgefilden, die Schwächen seiner Maihinger Mitbürger, wichtige Vorkommnisse in Dorf und Umgebung oder das Leben in der alten Zeit. Die Gastwirtschaft war im ganzen Ries bekannt als „Gasthaus zur Wahrheit“. Hier wurde vermutlich vor Jahren auch die Idee geboren, bei einer Hasenjagd den Jägern einen weißen Stallhasen vor die Flinte hoppeln zu lassen, in der Hoffnung auf eine Runde Freibier. Kolportiert wird auch folgende Geschichte: Einem Neubürger erzählte man, dass in einer kalten Nacht beim Huber seiner Kuh das Euter eingefroren sei. In der Not holte man den Dorfschmied, der mit dem Lötkolben das eingefrorene Euter wieder auftaute.
Einst wurde viel gesungen
Auch in der „Klosterschänke“trafen und treffen sich die Stammtischbrüder. Entstanden ist der Donnerstagstammtisch auch aus den Rentnern vom Rentnerkreuz, die im Winter wegen der Kälte zum „Leb“(Gasthaus zum Löwen) gingen. Früher spielte der alte Herr Klopfer mit seiner Ziehharmonika, und es wurde viel gesungen. Heute kommen jeden Donnerstagabend 15 bis 20 Personen auch aus den umliegenden Dörfern zu einem regelmäßigen Stammtisch, bei dem es um Gott und die Welt geht.