Was aus faulen Krediten werden soll
Immer noch liegen in den Bilanzen europäischer Banken Kredite von fast einer Billion Euro, die vielleicht nicht zurückgezahlt werden können. Nun will die EU-Kommission regeln, wie die Geldhäuser damit umgehen sollen
Brüssel Zum Schutz vor neuen Finanzkrisen sollen Europas Banken nach dem Willen der EU-Kommission faule Kredite künftig einfacher loswerden können. Außerdem soll verhindert werden, dass die Geldinstitute erneut Berge an ausfallgefährdeten Krediten anhäufen, teilte die Brüsseler Behörde mit. „Prävention ist das beste Heilmittel“, sagte EU-Finanzkommissar Valdis Dombrovskis. Damit die Regelungen in Kraft treten können, müssen die EU-Staaten und das Europaparlament noch zustimmen.
Zuletzt türmten sich in Europas Bankenbilanzen faule Kredite in Höhe von rund 910 Milliarden Euro. Das entspricht einem Anteil von etwa 4,4 Prozent an allen Krediten in der EU. Zwischen den einzelnen Staaten gibt es aber erhebliche Unterschiede. Den mit Abstand höchsten Wert weist Griechenland mit rund 46,7 Prozent auf. Dahinter folgen Zypern, Portugal und Italien. In Deutschland sind es rund 2,1 Prozent. Aus Sicht der EU-Kommission hindern die Altlasten Banken daran, Verbrauchern und Unternehmen neue Kredite zu geben.
Als faul gilt ein Kredit, wenn fällige Tilgungen nicht mehr geleistet werden können. Sogenannte NPLs („non-performing loans“) stellen aus Sicht der Kommission das größte Restrisiko für Europas Bankensystem dar. Während der Finanzkrise in den Jahren nach 2008 waren viele Kreditnehmer nicht mehr fähig, ihre Darlehen zurückzuzahlen, etwa wegen des Verlusts ihres Arbeitsplatzes oder einer Insolvenz.
Im Einzelnen will die EU-Kommission nun unter anderem Sekundärmärkte stärken, auf denen Banken ihre notleidenden Kredite an Anleger oder Kreditdienstleister abstoßen können. Dazu soll es europaweit einheitliche Regeln geben. Beim Ausfall von Tilgungen sollen Geldinstitute außerdem von Unternehmen die Sicherheiten, die einem Kredit zugrunde liegen, sofort – und ohne Gerichtsverfahren – einziehen können. Außerdem müssten Banken in Zukunft weiteres Eigenkapital vorhalten, um bei der Vergabe neuer ausfallgefährdeter Kredite die Risiken abzudecken. Damit soll verhindert werden, dass Geldinstitute nach dem Abebben der Finanzkrise zu leichtfertig Kredite vergeben. Darüber hinaus gibt die EU-Kommission den Staaten „Blaupausen“zum Aufbau nationaler Bad Banks an die Hand. Das sind Institutionen, die faule Kredite übernehmen, managen und Geschäfte damit machen.
Im Europaparlament gab es Zustimmung: „Die Vorschläge der Kommission weisen in die richtige Richtung“, sagte der CSU-Finanzexperte Markus Ferber. „Die Quote an ausfallgefährdeten Krediten befindet sich in vielen Mitgliedstaaten nach wie vor im zweistelligen Bereich. Das ist ein erheblicher Bremsklotz für die Kreditvergabe. Gerade die Südstaaten müssen etwas tun.“
Der Finanzexperte der Grünen, Sven Giegold, sagte: „Verbindliche Mindestvorgaben für alle europäischen Banken sind notwendig. Der Berg fauler Kredite ist noch immer höher als vor der letzten Finanzkrise, die Institute müssen sich für den nächsten Abschwung wappnen.“
Aus Sicht der EU-Kommission spielt der Vorschlag eine wichtige Rolle bei der angepeilten Großreform der europäischen Wirtschaftsund Währungsunion. Die EU-Staaten streiten seit geraumer Zeit vor allem über die Errichtung eines gemeinsamen Sicherungssystems für Sparguthaben – die sogenannte Einlagensicherung. EZB-Präsident Mario Draghi hatte schon am Montag vorgeschlagen, mit den Vorbereitungen für eine gemeinsame europäische Einlagensicherung zu beginnen. In Deutschland ist dieser Vorschlag sehr unbeliebt, da Banken hierzulande fürchten, im Zweifelsfall für Institute in anderen Ländern haften zu müssen. Der Präsident der bayerischen Genossenschaftsbanken, Jürgen Gros, sagte: Eine gemeinsame Haftung wäre das „Abwälzen nationaler Probleme auf deutsche und bayerische Banken und Sparer. Das erzürnt uns in unserer Gruppe ungemein.“
Allerdings betonte auch die Bundesregierung, dass Risiken in Europas Banksektor zunächst gesenkt werden müssen, bevor sie geteilt werden können. Doch die Einlagensicherung dürfte auch beim EUGipfel in der kommenden Woche Streitthema werden.