Das Führerprinzip
Düstere Groteske: Schwindler in Uniform etabliert ein System der Gewalt
Kleider machen Leute: Der in Hollywood tätige deutsche Regisseur Robert Schwendtke hat auf Heimaturlaub die Story des blutjungen Kriegsverbrechers Willi Herold ausgegraben, der nur Wochen vor der Kapitulation zum fanatischen Nazi und psychopathischen Massenmörder wurde. Analog zu „Der Hauptmann von Köpenick“entspinnt sich die bittere und böse Version einer Köpenickiade.
Das Lachen bleibt einem schnell im Halse stecken, wenn Schwendtke in beklemmenden Schwarz-WeißBildern der Blutspur folgt, die „der Henker vom Emsland“in wenigen Wochen hinterlässt. Ausgangspunkt ist der junge Deserteur Willi Herold, der durch ein kriegsversehrtes Land im Spätwinter irrt und eine Hauptmanns-Uniform findet. Die ist ihm zwar zu lang, aber die versprengten Fahnenflüchtigen, die sich ihm anschließen, übersehen das mehr oder minder absichtlich. Herold muss den Offizier geben, um zu überleben. Seine Täuschung droht ständig aufzufliegen, weshalb er seine Rolle gut spielt. Zu gut: Er bringt jeden auf Linie, sorgt für Ordnung im Chaos, schützt Bauern vor marodierenden Soldaten, exekutiert Plünderer. Er etabliert ein Gewaltsystem, das sich verselbstständigt. Der Schweizer Max Hubacher verkörpert den Schwindler erschütternd eindringlich. An seiner Seite wirken vertraute Gesichter wie Milan Peschel, Frederick Lau und Samuel Finzi.
In ungemütlicher Nüchternheit gelingt mit „Der Hauptmann“ein groteskes Kriegsdrama und eine Parabel auf das Führerprinzip, wenn ein verkleideter Niemand mit abgebrühter Kaltschnäuzigkeit Exzesse abliefert. Düstere Synthie-Effekte verstärken gekonnt die Atmosphäre grausamer Entmenschlichung. Nur den Epilog hätte sich Schwendtke besser geschenkt – ansonsten liefert er ein meisterliches Schauerstück.
» Der Hauptmann (1 Std. 59 Min.), Kriegsdrama, Deutschland, 2018 Wertung ★★★★✩