Der Traum von der Begegnung auf Augenhöhe
In Hainsfarth findet eine christlich-jüdische Gemeinschaftsfeier statt. Es geht darum, Brücken zu bauen
Hainsfarth Zur Eröffnung der Woche der Brüderlichkeit 2018 hat der Freundeskreis Synagoge Hainsfarth eine christlich-jüdischen Gemeinschaftsfeier ausgerichtet. Kooperationspartner waren das Bischöfliche Dekanat Weißenburg-Wemding, die Oettinger Kirchengemeinde St. Jakob, die katholische Pfarrei St. Andreas Hainsfarth und die christlichen Erwachsenenbildungswerke des Landkreises. Das Motto hatte der Deutsche Koordinierungsrat der Gesellschaften für christlich-jüdische Zusammenarbeit ausgegeben: „Angst überwinden - Brücken bauen“.
Das Brückenbauen stellte auch die Vorsitzende Sigi Atzmon in der Synagoge als zentrales Anliegen des Freundeskreises heraus. In Zeiten schwankender und schwindender Wertekanons sei es gelungen, kleine Stege zu bauen, aber auch starke Brücken. Dass sich zwei Jugendliche an der Gestaltung der Gemeinschaftsfeier bereitgefunden hatten, wertete Atzmon als gutes Zeichen für die Zukunft. Dekan Konrad Bayerle belegte mit Beispielen aus seiner eigenen Biografie, dass es notwendig und möglich ist, Ängste zu überwinden und Brücken zu bauen, Mut zu fassen und ins Neue aufzubrechen, wo
Freude und Bereicherung zu finden sind.
Gemeinsam betete die Versammlung aus dem gemeinsamen Überlieferungsschatz von Juden und Christen den 146. Psalm, einen Lobpreis auf Gott. Mit gemeinsam gesungenen Chorälen und mit dem sehr deutlich und eindringlich formulierten „Gebet bei interreligiösen Begegnungen“bekräftigten die Teilnehmer das Anliegen, dass der gemeinsame Glaube an den einen Gott die Gläubigen aller Traditionen näher zueinander bringen möge.
Kantor Nicola David brachte mit hebräischen Liedern das jüdische Element zur Geltung, begleitete aber auch in geschwisterlicher Verbundenheit den Gemeindegesang. Gemeinsam mit Atzmon sprach er das Kaddisch für die verstorbene Bürgermeisterin a. D. Ursula Seefried, deren Verbundenheit mit dem Freundeskreis von der Vorsitzenden hervorgehoben worden war.
Als Ehrenvorsitzende der Gesellschaft für christlich-jüdische Zusammenarbeit Augsburg und Schwaben und gute Freundin war Gertrud Kellermann gern der Einladung von Atzmon gefolgt und hatte das zentrale Referat zum Thema „Brücken bauen – Angst überwinden“übernommen.
Die Geschichte des Grabens zwischen Christen und Juden geht demnach bis in die ersten Jahrhunderte nach dem Tod Jesu zurück. Verbale und volkstümliche Verunglimpfungen der Juden und die verächtliche Darstellung der Synagoge als Frauengestalt mit verbundenen Augen und zerbrochenen Gesetzestafeln waren die Vorstufen für wiederholte, grässliche Pogrome und letztlich für den verbrecherischen Akt der Vernichtung von über sechs Millionen Menschen. Die Gesellschaften für christlich-jüdische Zusammenarbeit, die nach dem Zusammenbruch des Nazi-Regimes mit dem Ziel gegründet wurden, die aufgerissenen Gräben und Abgründe zu überbrücken, waren keine deutsche Erfindung, sondern entstanden auf amerikanische Initiative.
Nur allmählich fand man den Mut, offen über die deutsche Vergangenheit zu sprechen und über die religiös-theologische Thematik hinaus die gesellschaftlichen Bezüge herzustellen. Erst mit dem Zuzug von sogenannten Kontingentflüchtlingen nach der Auflösung der Sowjetunion kam es zu persönlichen Begegnungen von Christen und Juden, nun aber auf breiter Basis und in vielfacher Hinsicht, bis hin zu persönlichen Freundschaften.
Die Kirchen waren anfangs zurückhaltend und defensiv. In den Schuldbekenntnissen kam die Judenvernichtung nicht vor. Der alleinige Heilsanspruch galt bis zum Zweiten Vatikanischen Konzil uneingeschränkt, und die protestantischen Kirchen taten und tun sich mit dem Verzicht auf Judenmission noch schwerer. Bis heute gehen nicht alle diesen Weg mit.
Die Referentin schloss ihre gleichermaßen
„Wenn ihr wollt, ist es kein Traum.“
Gertrud Kellermann
informativen wie bewegenden Ausführungen mit dem „Traum“, dass endlich eine Begegnung auf Augenhöhe zwischen Juden und Christen stattfindet, dass Unterschiede akzeptiert und Selbstbewusstsein gewonnen wird, dass Christen und Juden mit gemeinsamen Projekten diese „heillose Welt ein bisschen besser“machen. An den Traum knüpfte Gertrud Kellermann den Appell: „Wenn ihr wollt, ist es kein Traum.“