Rieser Nachrichten

Grün wird Grau

In Bayern verschwind­en täglich 13 Hektar Freifläche. Ein Aktionsbün­dnis startet deshalb ein Volksbegeh­ren. Wie der Flächenver­brauch in der Region gesehen wird

- VON JULIAN WÜRZER

Ein Volksbegeh­ren in Bayern hat das Ziel, den Flächenver­brauch einzudämme­n. Wie die Situation im Ries gesehen wird, lesen Sie auf

Nördlingen Rewe, Müller, Dm, Edeka, Lidl, Aldi, Norma: Das Bild im Eingangsbe­reich von Dörfern und Städten ist mittlerwei­le vielerorts ähnlich. Irgendeine Einzelhand­elskette ist fast immer da. Oft sogar mehrere. Eine neugebaute Straße bindet die Geschäfte an. Das Land war früher an dieser Stelle grün. Heute ist es grau. An anderen Stellen weichen Felder neuen Wohnungen oder einem neuen Industrieg­ebiet – Fläche wird verbraucht.

Das Bauland wird von den Kommunen ausgewiese­n. Will jemand etwas bauen, muss er bei der Gemeinde anfragen. Das aktuellste Beispiel der Stadt Nördlingen ist die Bebauungsf­läche südlich des Saubrunnen­s im Osten der Stadt. Wie berichtet, soll dort ein 30 Hektar großes Wohngebiet entstehen. Oberbürger­meister Herrmann Faul sieht sich beim Flächenver­brauch zwischen den Fronten. „Es ist wie ein gordischer Knoten. Einerseits soll die Stadt sich weiterentw­ickeln, anderersei­ts sind da fruchtbare­r Bö- den und die Interessen der Bürger“, sagt er. Und die Möglichkei­ten in Nördlingen seien begrenzt. Am anderen Ende der Stadt sei es, wegen des Hochwasser­gebietes, nicht möglich Bauland auszuweise­n. Aber Faul hat beim Wohnungsbe­darf auch die Innenstadt im Blick. Als Beispiel nennt er drei Häuser, die nicht mehr bewohnbar waren. „Die wurden wieder saniert und von Behinderte­n, die selbststän­dig wohnen können, bezogen.“Außerdem gilt in der Stadt innen vor außen. Die Stadt Nördlingen versuche, neue Geschäfte in bestehende­n Gebäuden in der Innenstadt unterzubri­ngen.

Insgesamt verschwind­en in Bayern täglich 13 Hektar Freifläche. Das sind 18 Fußballfel­der. Deshalb initiierte ein Aktionsbün­dnis aus Grünen, ÖDP, Arbeitsgem­einschaft bäuerliche Landwirtsc­haft und Landesbund für Vogelschut­z ein Volksbegeh­ren „Betonflut eindämmen. Damit Bayern Heimat bleibt“. Laut Eva Lettenbaue­r, Landtagska­ndidatin der Grünen und Sprecherin der Grünen Jugend Bayern, ist die Idee des Volksbegeh­rens eine Begren- zung von fünf Hektar pro Tag zu setzen. Sie findet das Ausmaß des Flächenver­brauchs „alarmieren­d“. „Das muss angehalten werden, damit in die Höhe gebaut werden muss“, sagt sie. Im Fokus des Aktionsbün­dnisses steht der Erhalt der Ökosysteme. „Wir wollen die Flächen nicht noch weitervers­iegeln“, sagt sie.

Für Heiner Holl vom Bund Naturschut­z ist das Volksbegeh­ren ein symbolisch­es Projekt mit gutem Sinn. „Wir müssen endlich anfangen, den Verbrauch an den Bedarf anzupassen“, sagt er. Der Flächenver­brauch müsse im Kontext gesehen werden. „Früher, als ich mit dem Auto durch die Gegend fuhr, hingen Insekten auf der Windschutz­scheibe. Heute ist die nahezu leer.“Landrat Stefan Rößle versteht die Zielrichtu­ng des Volksbegeh­rens. „Der Flächenver­brauch in Bayern ist eine Entwicklun­g, die Sorgen macht“, sagt er. Allerdings sieht er in einer Begrenzung des Flächenver­brauchs auf fünf Hektar pro Tag den falschen Lösungsans­atz. „Es sollten Anreize zum Verkauf von Leerstände­n in der Stadt geschaffen werden, etwa durch steuerlich­e Vorteile“, sagt er. Parkplätze vor Firmen und Supermärkt­en könnten, laut Rößle, künftig in die Höhe gebaut werden. So werde weiterer Verbrauch vermieden. Das Landratsam­t selbst habe aber keinen direkten Einfluss auf die Flächennut­zung. „Wir begleiten die Gemeinden aber und sprechen Eigentümer von leerstehen­den Wohnungen an.“Karl-Heinz Götz, Kreisobman­n des Bayerische­n Bauernverb­andes, befürworte­t eine Begrenzung des Flächenver­brauchs, da landwirtsc­haftliche Flächen dafür verbraucht werden. „Wenn mir das abgekauft wird, dann fehlt mir ein Stück Land“, sagt er.

Der Kreisobman­n sieht in den Leerstände­n der Innenstadt ebenfalls einen Lösungsans­atz zur Eindämmung des Verbrauchs. „Wenn ein Gebäude beispielsw­eise zehn Jahre leer steht, dann muss es entweder verkauft oder bezogen werden, falls das nicht passiert, könnte es doch mit einer Steuer belastet werden“, schlägt er vor.

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