Grün wird Grau
In Bayern verschwinden täglich 13 Hektar Freifläche. Ein Aktionsbündnis startet deshalb ein Volksbegehren. Wie der Flächenverbrauch in der Region gesehen wird
Ein Volksbegehren in Bayern hat das Ziel, den Flächenverbrauch einzudämmen. Wie die Situation im Ries gesehen wird, lesen Sie auf
Nördlingen Rewe, Müller, Dm, Edeka, Lidl, Aldi, Norma: Das Bild im Eingangsbereich von Dörfern und Städten ist mittlerweile vielerorts ähnlich. Irgendeine Einzelhandelskette ist fast immer da. Oft sogar mehrere. Eine neugebaute Straße bindet die Geschäfte an. Das Land war früher an dieser Stelle grün. Heute ist es grau. An anderen Stellen weichen Felder neuen Wohnungen oder einem neuen Industriegebiet – Fläche wird verbraucht.
Das Bauland wird von den Kommunen ausgewiesen. Will jemand etwas bauen, muss er bei der Gemeinde anfragen. Das aktuellste Beispiel der Stadt Nördlingen ist die Bebauungsfläche südlich des Saubrunnens im Osten der Stadt. Wie berichtet, soll dort ein 30 Hektar großes Wohngebiet entstehen. Oberbürgermeister Herrmann Faul sieht sich beim Flächenverbrauch zwischen den Fronten. „Es ist wie ein gordischer Knoten. Einerseits soll die Stadt sich weiterentwickeln, andererseits sind da fruchtbarer Bö- den und die Interessen der Bürger“, sagt er. Und die Möglichkeiten in Nördlingen seien begrenzt. Am anderen Ende der Stadt sei es, wegen des Hochwassergebietes, nicht möglich Bauland auszuweisen. Aber Faul hat beim Wohnungsbedarf auch die Innenstadt im Blick. Als Beispiel nennt er drei Häuser, die nicht mehr bewohnbar waren. „Die wurden wieder saniert und von Behinderten, die selbstständig wohnen können, bezogen.“Außerdem gilt in der Stadt innen vor außen. Die Stadt Nördlingen versuche, neue Geschäfte in bestehenden Gebäuden in der Innenstadt unterzubringen.
Insgesamt verschwinden in Bayern täglich 13 Hektar Freifläche. Das sind 18 Fußballfelder. Deshalb initiierte ein Aktionsbündnis aus Grünen, ÖDP, Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft und Landesbund für Vogelschutz ein Volksbegehren „Betonflut eindämmen. Damit Bayern Heimat bleibt“. Laut Eva Lettenbauer, Landtagskandidatin der Grünen und Sprecherin der Grünen Jugend Bayern, ist die Idee des Volksbegehrens eine Begren- zung von fünf Hektar pro Tag zu setzen. Sie findet das Ausmaß des Flächenverbrauchs „alarmierend“. „Das muss angehalten werden, damit in die Höhe gebaut werden muss“, sagt sie. Im Fokus des Aktionsbündnisses steht der Erhalt der Ökosysteme. „Wir wollen die Flächen nicht noch weiterversiegeln“, sagt sie.
Für Heiner Holl vom Bund Naturschutz ist das Volksbegehren ein symbolisches Projekt mit gutem Sinn. „Wir müssen endlich anfangen, den Verbrauch an den Bedarf anzupassen“, sagt er. Der Flächenverbrauch müsse im Kontext gesehen werden. „Früher, als ich mit dem Auto durch die Gegend fuhr, hingen Insekten auf der Windschutzscheibe. Heute ist die nahezu leer.“Landrat Stefan Rößle versteht die Zielrichtung des Volksbegehrens. „Der Flächenverbrauch in Bayern ist eine Entwicklung, die Sorgen macht“, sagt er. Allerdings sieht er in einer Begrenzung des Flächenverbrauchs auf fünf Hektar pro Tag den falschen Lösungsansatz. „Es sollten Anreize zum Verkauf von Leerständen in der Stadt geschaffen werden, etwa durch steuerliche Vorteile“, sagt er. Parkplätze vor Firmen und Supermärkten könnten, laut Rößle, künftig in die Höhe gebaut werden. So werde weiterer Verbrauch vermieden. Das Landratsamt selbst habe aber keinen direkten Einfluss auf die Flächennutzung. „Wir begleiten die Gemeinden aber und sprechen Eigentümer von leerstehenden Wohnungen an.“Karl-Heinz Götz, Kreisobmann des Bayerischen Bauernverbandes, befürwortet eine Begrenzung des Flächenverbrauchs, da landwirtschaftliche Flächen dafür verbraucht werden. „Wenn mir das abgekauft wird, dann fehlt mir ein Stück Land“, sagt er.
Der Kreisobmann sieht in den Leerständen der Innenstadt ebenfalls einen Lösungsansatz zur Eindämmung des Verbrauchs. „Wenn ein Gebäude beispielsweise zehn Jahre leer steht, dann muss es entweder verkauft oder bezogen werden, falls das nicht passiert, könnte es doch mit einer Steuer belastet werden“, schlägt er vor.