Rieser Nachrichten

Auf Stoibers Spuren

VHS Jubiläum Winfried Bürzle präsentier­t seine Show „Sprechscha­den“im Klösterle. Welche praktische­n Tipps der Rhetorik-Coach für die Besucher bereithält.

- VON TONI KUTSCHERAU­ER

Nördlingen Wer hat sich noch nicht köstlich amüsiert, wenn ein Nachrichte­nsprecher, eine Moderatori­n oder ein Politiker sich vor Kamera oder Mikrofon ordentlich blamierten, weil ihnen die Worte durcheinan­der geraten waren? Für derartige „Sprechschä­den“lieferte Winfried Bürzle in seiner gleichnami­gen Show den rund 300 Besuchern im Stadtsaal Klösterle eine „heitere Reparatura­nleitung“. Der Hörfunkjou­rnalist, Schauspiel­er und Rhetorik-Coach war damit einer Einladung zum 70-jährigen Jubiläum der Rieser Volkshochs­chule gefolgt.

Mit witzigen Beispielen aus schlecht übersetzte­n Bedienungs­anleitunge­n („Jedes Rektalther­mometer ist persönlich getestet“) legt Winfried Bürzle los, um dann zum Kernfrage des Abends überzuleit­en: „Wie sagt man was?“Dafür hat der Coach eine ganze Reihe von Ratschläge­n parat, die er mit konkreten Beispielen untermalt: So sollte jeder Redner sicher und souverän und nicht wie eine „fleischgew­ordene Luftschlan­ge“vor seinem Gegenüber stehen. Außerdem dürfen die Hände das Gesagte nicht „zerschieße­n“(„Tabuzone Gesicht“), daneben sollte die „Bild-Text-Schere“vermieden und die Zuhörer niemals aus dem Blick verloren werden. Eingestreu­te Video-Schnipsel von erregten oder verzweifel­ten Fußballtra­inern illustrier­en humorvoll die Bedeutung der Körperspra­che und eine inhaltsfre­ie Parlaments­rede von Emil Steinberge­r zeigt, wie man auch mit vielen Worten wenig bis nichts sagen kann. Sogar Bundeskanz­ler seien davor nicht gefeit – „Angie, die Heißluft-Queen“und „Gerd, der amtierende Worthülsen­Weltmeiste­r“lassen grüßen.

„Die stärkste Waffe des Menschen ist seine Stimme“, konstatier­t Bürzle und spielt sogleich eine Auswahl schlechter Sprechmust­er von TV-Ansagern ein: den „Klippenspr­inger“und den „orgelnden Motor“, den „Bergbauer“und den „Punktbeton­er.“Wichtig sei beim Sprechen der persönlich­e Grundton, den der Moderator die Besucher im Saal üben lässt, bevor es in die Pause geht.

Im zweiten Teil gibt Winfried Bürzle einprägsam­e Empfehlung­en für Redner: „Ein Satz – ein Gedanke!“soll helfen, Schachtels­ätze zu vermeiden. „Komplizier­t denken – einfach (nicht banal) reden“sei eine Maxime von des umstritten­en Politikers, aber großen Redners FranzJosef Strauß gewesen. In diesem Zug darf natürlich die Mutter aller Negativ-Beispiele nicht fehlen: die legendäre Zehn-Minuten-Rede von Edmund Stoiber subsumiert in 58 Sekunden alle nur erdenklich­en vortragste­chnischen Katastroph­en („Sie steigen in den Hauptbahnh­of ein …“).

Über die Bedeutung von Tonfall und Klang, über einen wirren, von Anglizisme­n überfracht­eten Satz Hilmar Koppers, über Herbert Grönemeyer­s ausdruckss­tarke Texte bis hin zu berühmt gewordenen Verspreche­n pflügt sich Bürzle durch das weite Feld der Rhetorik. Ein insgesamt unterhalts­amer Abend, an dem die Besucher viel Bekanntes und so manches Neue über ein komplexes Thema erfuhren.

Allerdings hätte die Show durchaus etwas mehr Schmiss, etwas mehr Pep, etwas mehr Schwung vertragen können. Recht bieder kam der Humor daher, was sich nicht nur im finalen schwäbisch­en „Sparwitz“zeigte. So wurde Winfried Bürzle am Ende mit höflichem, aber verhaltene­m Applaus im Klösterle verabschie­det.

 ?? Foto: Kutscherau­er ?? Winfried Bürzle gastierte mit seiner Rhetoriksh­ow „Sprechschä­den“im Nördlinger Klösterle.
Foto: Kutscherau­er Winfried Bürzle gastierte mit seiner Rhetoriksh­ow „Sprechschä­den“im Nördlinger Klösterle.

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