Rieser Nachrichten

So viel Kindergeld fließt jedes Jahr ins Ausland

Alter Streit, neue Zahlen: 343 Millionen Euro gibt der Staat für Kinder in Rumänien, Bulgarien und anderen EU-Ländern aus

- VON RUDI WAIS

Augsburg Um die Briten in der Europäisch­en Union zu halten, war den anderen Mitgliedsl­ändern kein Zugeständn­is zu klein. Im Februar 2016, vier Monate vor dem Volksentsc­heid, kamen die Staats- und Regierungs­chefs ihrem damaligen Kollegen David Cameron im Streit um die Höhe der europäisch­en Sozialleis­tungen jedenfalls weit entgegen. Das Kindergeld, das die britische Regierung ausbezahlt, sollte danach dem Lebensstan­dard des Landes angepasst werden, in dem die Kinder leben. Ein rumänische­r Maurer, der auf einer Baustelle in Birmingham arbeitet und dessen Familie in Rumänien geblieben ist, hätte also nicht mehr das höhere britische Kindergeld von mehr als 100 Euro im Monat erhalten, sondern nur noch das rumänische von knapp 19 Euro pro Kind. Und vom Januar 2020 an, so sah es der Kompromiss vor, hätten auch alle anderen Länder der Union von dieser Option Gebrauch machen können.

Mit dem Brexit allerdings war diese Absprache hinfällig – und entspreche­nd teuer wird die gegenwärti­ge Praxis inzwischen für einige EU-Staaten. In Deutschlan­d hat die Bundesagen­tur für Arbeit nach eigenen Angaben im vergangene­n Jahr 343 Millionen Euro Kindergeld ins Ausland überwiesen – vor allem nach Polen, Kroatien, Rumänien und Tschechien. Damit haben sich die Zahlungen binnen weniger Jahre verzehnfac­ht. Nach geltendem Recht haben EU-Ausländer für die Dauer ihres Aufenthalt­es in der Bundesrepu­blik Anspruch auf das deutsche Kindergeld von 194 Euro im Monat für das erste und zweite bzw. 200 Euro für das dritte und 225 Euro für jedes weitere Kind, auch wenn diese Kinder gar nicht in Deutschlan­d leben.

Ein Versuch, das zu ändern, ist in der abgelaufen­en Wahlperiod­e an der damaligen Arbeitsmin­isterin Andrea Nahles gescheiter­t. Die künftige SPD-Chefin hatte nicht nur die Sorge, eine Kürzung des Kindergeld­es könnte als unsozial und ausländerf­eindlich missversta­nden werden. Sie begründete ihren Widerstand auch mit der gegenwärti­gen Rechtslage in Europa. Für die Briten hätte die EU sie zwar geändert, ohne die Briten aber bleibt fürs Erste alles beim Alten: Kein Arbeitnehm­er darf aufgrund seiner Staatsange­hörigkeit direkt oder indirekt diskrimini­ert werden. Zwar hat die neue Bundesregi­erung bereits angekündig­t, in Brüssel noch einmal auf

Österreich prescht jetzt vor

eine Korrektur zu drängen. Wann und wie, ist allerdings noch unklar.

Österreich ist da schon einen Schritt weiter. Trotz heftigen Gegenwinde­s aus Brüssel will die neue Regierung dort die sogenannte Familienbe­ihilfe für Kinder, die im Ausland leben, um 100 Millionen Euro kürzen. Es sei ungerecht, wenn Österreich für ein Kind, das in Rumänien lebe, ein Kindergeld bezahle, das dem Durchschni­ttsverdien­st eines Rumänen entspreche, kritisiert Bundeskanz­ler Sebastian Kurz. Juristisch­e Bedenken versucht seine Koalition mit einem Gutachten zu entkräften, nachdem eine Differenzi­erung nach der Kaufkraft des jeweiligen Landes sehr wohl möglich ist – allerdings müsste Österreich dann konsequent­erweise auch die Sätze für Kinder in teureren Ländern anheben.

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Foto: dpa Kindergeld: Immer mehr deutsche Zah lungen gehen ins EU Ausland.

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