Rieser Nachrichten

„Uns droht auch ein Währungskr­ieg“

Aus Sicht des Top-Ökonomen Henning Vöpel wird es mit den USA nicht beim Streit um Zölle bleiben. Denn Donald Trump will auch den Dollar abwerten. Die Folgen wären massiv

- Henning Vöpel:

Herr Professor Vöpel, kann man denn die USA dazu bewegen, dauerhaft auf Zölle zu verzichten?

Nein, ich glaube, es gibt keine realistisc­he Chance. Trump von den Zöllen abbringen zu wollen, das scheint mir ein aussichtsl­oses Unternehme­n zu sein. Ich denke, dass die Zölle wie angekündig­t auf Stahl und Aluminium eingeführt werden, wenn auch hoffentlic­h nicht auf Autos. Man sollte aber versuchen, auf dem Verhandlun­gswege die Eskalation zu vermeiden. Denn daran kann keiner ein Interesse haben. Ich halte es für richtig, dass man den Dialog sucht.

Welche Folgen drohen durch die Zölle der europäisch­en Wirtschaft?

Vöpel: In Deutschlan­d und Europa gibt es zwar noch eine Stahlprodu­ktion, aber die gesamtwirt­schaftlich­e Wirkung der US-Zölle wäre hierzuland­e vorerst nicht so stark. Stärker träfe es Länder wie Brasilien und China. Gerade China steht mit Blick auf die geostrateg­ische Bedeutung im Fokus von Donald Trump. Auf die deutsche Wirtschaft dürften die Auswirkung­en zunächst gering sein. Wir wissen aber auch, dass Zölle, vor allem wenn sie Gegenmaßna­hmen hervorrufe­n, langsam andere Sektoren in der Wirtschaft erfassen. Würde Deutschlan­d in einen globalen Handelskri­eg hineingezo­gen, wäre die gesamte Exportwirt­schaft betroffen, vor allem der deutsche Maschinenb­au oder die Automobili­ndustrie.

Müssen also deutsche Firmen irgendwann in den USA produziere­n? Vöpel: Das ist einer der Hebel, den Donald Trump ganz bewusst in Bewegung setzt. Bereits durch seine Steuerrefo­rm hat er versucht, amerikanis­che Firmen zu bewegen, ihre im Ausland geparkten Gewinne und Gelder in die USA zurückzuho­len. Jetzt geht es darum, die ausländisc­hen Firmen zu motivieren, nicht in die USA zu exportiere­n, sondern ihre Produktion selbst in die USA zu verlagern. Einige deutsche Mittelstän­dler hegen bereits solche Überlegung­en. Wenn es Donald Trump gelänge, auf dem Wege einer Steuerrefo­rm oder mit protektion­istischen Maßnahmen Direktinve­stitionen in die USA zu locken, dann könnte eine solche Politik sogar kurz- bis mittelfris­tig erfolgreic­h sein.

Wie soll die EU reagieren? Dort diskutiert man ja bereits eigene Zölle auf Jeans oder US-Whiskey.

Vöpel: Ich glaube, es ist richtig, dass man nicht tatenlos zusieht. Es gibt Stimmen, die sagen, man dürfte keine Gegenmaßna­hmen ergreifen. Das halte ich für falsch. Denn wir bewegen uns jetzt in der Logik eines Gefangenen­dilemmas. Natürlich sind alle bessergest­ellt, wenn wir keine Zölle oder nicht-tarifäre Handelshem­mnisse erheben. Wenn aber ein Land die eigene Wirtschaft schützt, dann lautet die rationale Antwort, das Gleiche zu tun. Gefährlich wird es natürlich, wenn wir uns nur noch in dieser Vergeltung­slogik bewegen und die Diplomatie versagt. Dann ist der Weg in einen Handelskri­eg nicht mehr weit.

Trump hat auch angekündig­t, den Dollar abwerten zu wollen, um den US-Export zu fördern. Das ginge zulasten anderer Exportländ­er. Stehen hier noch weitere Konflikte bevor? Vöpel: Neben dem Handelskri­eg könnte ein Währungskr­ieg drohen. Es geht also nicht nur um handelspol­itische Fragen, sondern auch um währungspo­litische Fragen. Das hat noch niemand so richtig auf dem Schirm, das Thema wird aber kommen. Die Kombinatio­n aus Handelsund Währungskr­ieg wäre fatal für eine Weltwirtsc­haft, die gerade dabei ist, sich endgültig von der Finanzkris­e 2007/08 zu erholen.

Wie könnte ein Ausweg aussehen, um den Währungskr­ieg zu verhindern? Vöpel: Wechselkur­smanipulat­ionen sind ein beliebtes Mittel, um kurzfristi­g die eigene Wirtschaft zulasten anderer Länder anzukurbel­n. Wichtiger ist jedoch das US-Handelsbil­anzdefizit, das eines der gravierend­en strukturel­len Probleme der Weltwirtsc­haft ist. Wir sehen erste Anzeichen, dass ausländisc­he Anleger, insbesonde­re China, Zweifel an der US-Wirtschaft haben. Sie finanziere­n bisher das US-Handelsbil­anzdefizit. Im schlimmste­n Fall könnten die Zweifel in einer unkontroll­ierten Dollar-Krise münden. Das wäre fatal, da die globalen Finanzund Kapitalmär­kte den Dollar als Ankerwähru­ng nutzen. Insofern müssen wir auch sehen, dass wir die währungspo­litische Architektu­r stabilisie­ren, indem wir mehrere Reservewäh­rungen etablieren, zum Beispiel den Euro. Die US-Wirtschaft leidet nämlich darunter, dass der Dollar die dominieren­de Reservewäh­rung ist. Dies führt zu einer Überbewert­ung des Dollar und dem chronische­n Leistungsb­ilanzdefiz­it der USA. Wie könnten die USA den Dollar abwerten?

Vöpel: Die Amerikaner müssten letztlich mehr sparen, um das Leistungsb­ilanzdefiz­it strukturel­l zu reduzieren. Nur über eine Abwertung des Dollar ist das unmöglich. Da in den USA derzeit die Zinsen steigen, erleben wir vielmehr das Gegenteil: Kapital strömt in die USA. Dazu kommt, dass der Dollar als Reservewäh­rung wie gesagt eine starke Stellung hat.

Hat Trump mit seinen Maßnahmen am Ende also doch recht? Er will ja die US-Wirtschaft stärken, um das Handelsdef­izit zu senken.

Vöpel: Trump argumentie­rt immer, die USA würden von den Handelspar­tnern ausgebeute­t, weshalb die US-Wirtschaft geschützt werden müsse. Das ist eine ökonomisch­e Fehleinsch­ätzung. Ich halte die Trumpschen Maßnahmen zur Reduzierun­g des Handelsdef­izits für ungeeignet. Am Ende werden sie die US-Wirtschaft am härtesten treffen.

Weshalb denken Sie, dass auch die USA Nachteile haben werden? Vöpel: Die internatio­nale Arbeitstei­lung ist noch immer eine starke Quelle von Wohlstand, auch wenn einige Ökonomen dies derzeit am liebsten infrage stellen würden. Die Strategie, Importe durch heimische Produktion zu ersetzen, ist wirtschaft­shistorisc­h katastroph­al verlaufen. Nicht nur die USA, auch der russische Präsident Putin versucht das gerade. Es ist aber völlig unmöglich, die heimische Wirtschaft darauf zu trimmen, alle bisher importiert­en Güter selbst zu erzeugen. Das sind enorme Wohlfahrts­verluste, die daraus folgen.

Sie sind also überzeugt, dass die Trumpsche Strategie nicht aufgeht? Vöpel: Protektion­ismus kann kurzfristi­g positive Effekte haben. Mittelbis langfristi­g überwiegen aber die Schäden. Ich bezweifele es stark, dass es in den USA gelingen wird, die verloren gegangenen Industriea­rbeitsplät­ze im Mittleren Westen zurückzuho­len. Einer Untersuchu­ng der Organisati­on für wirtschaft­liche Zusammenar­beit und Entwicklun­g, kurz OECD, zufolge sind die Arbeitsplä­tze nicht durch Handelsbez­iehungen verschwund­en, sondern aufgrund von veralteter Technologi­e: Man hat technologi­sche Entwicklun­gen verschlafe­n. Zur Wahrheit gehört aber auch, dass die Chinesen den Stahlmarkt durch Subvention­en verzerrt haben, sodass es heute Überkapazi­täten gibt.

Interview: Michael Kerler

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Foto: Arno Burgi, dpa Die USA wollen ihren Stahl und Aluminiums­ektor gegen weltweite Konkurrenz schützen. Das könnte sogar zu einem Währungskr­ieg führen.
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Professor Henning Vöpel ist seit 2014 Direktor des Hamburgisc­hen WeltWirt schaftsins­tituts (HWWI). Er lehrt Volkswirts­chaft.

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