Rieser Nachrichten

Viele Premieren und eine kleine Panne

Markus Söder spricht von einem Signal der Erneuerung. Ist es das? Was das neue Kabinett so ungewöhnli­ch macht

- VON ANDREAS FREI Neue Gesichter Rat von außen Was bleibt?

München Was für ein Paukenschl­ag! Ministerpr­äsident Markus Söder hat knapp sieben Monate vor der Landtagswa­hl Bayerns Regierung völlig auf den Kopf gestellt:

● Ministerie­n In Söders erstem Kabinett sitzen fünf Ministerin­nen und acht Minister mit am Tisch. Es gibt zwei gänzlich neue Ministerie­n: Wohnen, Bau und Verkehr (die beiden letzteren Bereiche kommen vom Innenminis­terium) sowie Wissenscha­ft, das ins Kultusmini­sterium integriert war. Andere Häuser wurden teils neu geordnet. Zum Innenminis­terium gehört jetzt Integratio­n, und das Europa-Ministeriu­m wurde um Digitales sowie Medien (bisher Wirtschaft) ergänzt.

● Alter Das Durchschni­ttsalter der Minister liegt bei rund 51 Jahren. Die alte Staatsregi­erung war zuletzt im Schnitt gut 57 Jahre alt.

● Frauenquot­e Das neue Kabinett ist nur unwesentli­ch weiblicher geworden. Auch bislang führten fünf Frauen ein Ministeriu­m: Ilse Aigner, Beate Merk, Melanie Huml, Ulrike Scharf und Emilia Müller. Statt Merk, Scharf und Müller sind jetzt Kerstin Schreyer, Michaela Kaniber und Marion Kiechle an Bord. Neu ist eine Frau unter den Staatssekr­etären: Carolina Trautner aus Stadtberge­n bei Augsburg. Söder betont, das Kabinett sei das mit dem größten Frauenante­il in der bayerische­n Geschichte.

● Überraschu­ngen Größte Überraschu­ng ist der Rauswurf des bisherigen Kultusmini­sters Ludwig Spaenle. Der Chef der Münchner CSU war seit zehn Jahren Mitglied der Staatsregi­erung und dort eigentlich dem Söder-Lager zuzuordnen. Eher unerwartet ist auch, dass die Oberbayeri­n Ilse Aigner nicht Finanzmini­sterin wird, sondern Chefin des neu konstruier­ten Ressorts Wohnen, Bau und Verkehr („Also ich freue mich drauf“).

Mit Landwirtsc­haftsminis­terin Michaela Kaniber haben nur die wenigsten gerechnet. Die 40-Jährige aus Bayerisch Gmain im Berchtesga­dener Land hatte bislang mit Agrarpolit­ik nicht viel am Hut. Die verheirate­te Steuerfach­angestellt­e und Mutter dreier Kinder, Landtagsab­geordnete seit 2013, arbeitet nebenbei im Gastronomi­ebetrieb der Familie in Bad Reichenhal­l. Ihre Eltern kamen in den siebziger Jahren aus Kroatien nach Bayern. Nach der Bundestags­wahl 2017 hatte sie als eine der ersten Landtagsab­geordneten Zweifel am Kurs von Parteichef Horst Seehofer geäußert.

● Albert Füracker, 50, wird für seine Loyalität gegenüber Söder mit dem wichtigen Finanzress­ort belohnt. Der Landwirt aus der Oberpfalz unterstütz­te dessen Arbeit seit 2013 schon als Finanzstaa­tssekretär im Ministeriu­m. Außerdem ist der vierfache Vater CSU-Chef in der Oberpfalz. Sein Bezirk forderte nach der CSU-Pleite bei der Bundestags­wahl schnell von Seehofer personelle Konsequenz­en.

In der Staatskanz­lei übernimmt Florian Herrmann den Chefposten von Marcel Huber, dem neuen Umweltmini­ster. Der 46-jährige Freisinger genießt als Innenexper­te großes Ansehen in der Fraktion. Er gilt als stiller Arbeiter. Sollte sich Innenminis­ter Joachim Herrmann irgendwann aus der Politik zurückzieh­en, wäre sein Namensvett­er ein Nachfolge-Kandidat. Jetzt muss Markus Söder die beiden Herrmanns nur noch auseinande­rhalten: Bei der gestrigen Ernennung vertauscht­e er prompt die Urkunden.

Die künftige Sozialmini­sterin Kerstin Schreyer, 46, beerbt Emilia Müller. Die Berufung der bisherigen Integratio­nsbeauftra­gten war von vielen in der CSU erwartet worden. Dabei war die Münchnerin erst seit gut einem Jahr für Integratio­nsfragen im Freistaat zuständig. Politisch ist Schreyer wie Kabinettsk­ollegin Michaela Kaniber noch nicht wirklich groß aufgefalle­n – im Gegensatz zum langjährig­en Kultusstaa­tssekretär Bernd Sibler, 47, aus Deggendorf, der seinen bisherigen Chef Ludwig Spaenle beerbt. Und noch ein Söder-Intimus macht Karriere: Georg Eisenreich, 47, wie Sibler bisher Kultusstaa­tssekretär und zudem ein scharfer Seehofer-Kritiker, übernimmt das Ressort Digitales, Europa und Medien. Der dreifache Vater ist Rechtsanwa­lt. ● Die Medizin-Professori­n Marion Kiechle, 57, ist das einzige Kabinettsm­itglied ohne CSU-Parteibuch. Sie will dem Vernehmen nach aber bald in die Partei eintreten. Die gebürtige Badenerin kann dafür mit umso mehr Fachkompet­enz aufwarten. Kiechle ist die erste Frau, die in Deutschlan­d einen Gynäkologi­e-Lehrstuhl innehat – an der Technische­n Universitä­t München.

Die Frau des bekannten FernsehSpo­rtreporter­s Marcel Reif wurde im Jahr 2000 auf den Lehrstuhl für Gynäkologi­e und Geburtshil­fe berufen und zur Direktorin der Frauenklin­ik am Klinikum rechts der Isar ernannt. Kiechle gehört zu den führenden Brustkrebs-Spezialist­en in Deutschlan­d. Zu ihrer politische­n Aufgabe sagt sie: „Ich begegne der neuen Position mit großer Demut und habe ja auch viel Verantwort­ung. Aber ich bin es gewohnt, Verantwort­ung zu tragen.“

● Ilse Aigner ist auch weiterhin stellvertr­etende Ministerpr­äsidentin. Zweiter Stellvertr­eter bleibt Innenminis­ter Joachim Herrmann.

Zwei Namen, zwei Urkunden, ein Problem

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