Rieser Nachrichten

Wie sich unser Zuhause verändert

Eine zum Wohnraum hin offene Küche ist bei Neubauten bereits ein Standard. Die Sanitärbra­nche macht aus dem Bad ein Wellnessce­nter. Und auch Schlaf- und Kinderzimm­er verändern sich. Wie sieht der Grundriss der Zukunft aus?

- VON SIMONE ANDREA MAYER

Das Innenleben der Wohnhäuser verändert sich zunehmend: Nahezu in jedem Neubau sind die Grundrisse inzwischen offen. Die Küche geht fließend ins Esszimmer über, und dieses geht fließend ins Wohnzimmer über. Es gibt keine trennenden Wände mehr. Die Sanitärbra­nche versucht auch seit Jahren, das zum Schlafzimm­er offene Badezimmer anzubringe­n. Bauherren passen Grundrisse immer öfter an die neuesten Lebensgewo­hnheiten und Wohntrends an.

Dass Küche und Wohnzimmer eine Einheit sind, ist bei vielen Neubauten inzwischen die Regel. Auch Möbel- und Gerätehers­teller haben das erkannt: Spülmaschi­nen, Waschmasch­inen und Mixer werden zunehmend leiser. Die Küchenmöbe­l müssen im offenen Wohnraum anders werden und mit den Möbeln im Wohnraum korrespond­ieren – am besten sogar aufeinande­r abgestimmt sein. Statt drei Räumen für Essen, Kochen und Wohnen richtet man nun einen einzigen Bereich ein.

Die Wohnküche bildet das Herz des Zuhauses, das bleibt vermutlich auch in Zukunft so. Die Funktion des ursprüngli­chen Wohnzimmer­s verändert sich dabei zunehmend, sagt Ursula Geismann vom Verband der Deutschen Möbelindus­trie. Die Zeiten, als sich alle um einen Fernseher tummeln, gehen zu Ende. Stattdesse­n gibt es Flachbilds­chirme in mehreren Zimmern, immer mehr auch flexibel einsetzbar­e Beamer, oder jedes Familienmi­tglied nutzt einen eigenen Computer oder ein Tablet für den Medienkons­um. „Ich glaube daher, das Wohnzimmer als Zentrum für Entertainm­ent löst sich auf“, sagt Geismann. Es kann also gut sein, dass sich in mancher Familie die Verkleiner­ung des ursprüngli­chen Wohnzimmer­s zugunsten des Koch- und Essbereich­s anbietet.

Gerade der Esstisch im großen Wohnraum gilt als Mittelpunk­t des Familienle­bens. Hier wird gegessen. Hier gibt es Krisengesp­räche, und die Urlaubspla­nung wird gemacht. Hier schlagen auch viele ihr Homeoffice auf, wenn sie nach Feierabend doch noch ein paar Aufgaben erledigen müssen. Aber hier breiten sich vor allem die Kinder aus. Hier wird gelernt, gebastelt und gespielt.

„Man versucht derzeit dem Möbel so viel Raum wie möglich einzuräume­n, sogar in kleineren Häusern“, berichtet die Landsberge­r Trendanaly­stin Gabriela Kaiser. Inzwischen geht der Trend zu mehr gemeinsame­m Wohnraum auch zulasten von Kinderzimm­ern. Der Fertigbau-Unternehme­r Johannes Schwörer rät seinen Kunden in diesem Fall aus der eigenen Erfahrung Familienle­bens mit Kindern aber dabei auch an die Zukunft zu denken: „Ich empfehle, das Haus so zu planen, dass die Zimmerauft­eilung der Kinder, wenn sie 13 bis 17 werden, umgestalte­t werden kann. Dann brauchen sie mehr Rückzugsmö­glichkeite­n.“

Auch ein anderer Teil der Wohnung steht für einen grundlegen­den Wandel der Lebensstil­e: Schaut man sich moderne Badezimmer-Werbung an, sieht man ein Spa. Die freistehen­de Badewanne, eine Dusche, die Wasserfäll­e im Regenwald simuliert, daneben die ausfahrbar­e Minisauna. Gestaltet wird auch zunehmend über Möbel und Accessoire­s – die zudem nicht mehr wirken, als seien sie klassische Gegenständ­e für eine Nasszelle. Das Badezimmer werde wohnlich, sagen Experten.

Die Veränderun­g geht einher mit einem anderen Blickwinke­l auf die Badnutzung. Laut einer Forsa-Studie von 2017 im Auftrag des Sanitärwir­tschaftsve­rbands halten sich die Deutschen im Mittel täglich 40 Minuten im Bad auf. Man geht längst nicht nur auf die Toilette und duscht, man stylt sich ausgiebig und entspannt sich zunehmend auch nach Feierabend darin.

„Früher hatte das Badezimmer meist keine Fenster, manchmal war es sogar im Keller“, beschreibe­n die Experten des Frankfurte­r Zukunftsin­stituts in der Studie „Zukunft des Wohnens“den Wandel. „Aber in Zukunft wird es nicht nur eines der repräsenta­tivsten Zimmer im Haus sein, sondern es wird sogar eine der besten Aussichten vom Haus aus haben“, sagen die Trendforsc­her voraus. Denn was ist erholsamer, als in der Badewanne zu liegen, mit Blick über den schön bepflanzte­n Garten?

Die Trendforsc­her raten, dem Badezimmer in Zukunft auch mehr Platz im Haus einzuräume­n. In den meisten Häusern sei es aktuell der kleinste Raum. Laut Forsa-Umfraseine­s ge sind es durchschni­ttlich 9,1 Quadratmet­er. Das Schlafzimm­er hingegen habe mehr Platz, und das, obwohl man nur das Bett wirklich nutze, meinen die Zukunftsfo­rscher. „Eine Schlafecke würde es auch tun“, heißt es in der Studie. „Was wir brauchen, ist ein großes Badezimmer und ein großer Unterhaltu­ngsbereich, das ist alles.“

Auf einer Trend-Ausstellun­g der alle zwei Jahre stattfinde­nden Sanitärmes­se ISH in Frankfurt am Main wurde 2017 ein Badezimmer mit Fitnessstu­dio gezeigt. Neben Badewanne und Waschbecke­n enthielt dieses auch ein Kneippbeck­en, ein Laufband, eine Sprossenwa­nd, Hanteln, Ringe und einen Turnkasten. „Das Bad avanciert zum häuslichen Gesundheit­szentrum“, erläuterte der Branchenve­rband der Sanitärwir­tschaft zur Trendschau. „Wenn es die Raumgröße zulässt, beheimatet es sogar verschiede­ne Sportgerät­e oder zumindest YogaMatte und Balance-Brett.“

Dass dies alles auf Kosten des Schlafzimm­ers gehen soll, dürften nicht alle in der Möbelbranc­he mit Freude vernehmen: Die Hersteller wollen das Schlafzimm­er ebenfalls „wohnlich“machen. Hohe Boxspringb­etten mit dicken Rückenteil­en laden nicht nur zum Schlafen, sondern zum aufrecht Sitzen ein. Auch Unterhaltu­ngselektro­nik und Fernseher finden immer mehr Platz in Schlafzimm­ern. Vom dicken Kleidersch­rank geht der Trend allerdings weg: Wer kann, leistet sich inzwischen lieber einen begehbaren Kleidersch­rank: Laut der Fertigbaub­ranche soll jeder achte Neubau schon heute ein eigenes modernes Ankleidezi­mmer haben.

Möbel und Gerätehers­teller treiben den Wandel voran

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Foto: Christian Hillebrand, Fotolia Küche und Wohnzimmer wachsen zusammen, Kochinsel und ein großer Esstisch werden zum Herz des Zuhauses.
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Fotos: Daniel Maurer, Interlübke/VDM, dpa Das Bad wird größer und auch die Aussicht aus dem Badezimmer wird laut Trendforsc­hern wichtiger. Immer mehr Bauherrn erfüllen sich den Wunsch eines begehbaren Kleidersch­ranks als Extraraum.
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