Rieser Nachrichten

Hunderte Mädchen mussten leiden

Im englischen Telford sollen Jugendlich­e zum Sex gezwungen worden sein. Erinnerung­en an eines der dunkelsten Kapitel britischer Vergangenh­eit werden wach

- VON KATRIN PRIBYL

London Mit stockender Stimme erzählt die junge Frau, wie sie von einem Mann mit dessen Gürtel geschlagen wurde. Wie er sie zwei oder drei Mal pro Nacht verkauft hat. Wie Männer sie in einem Vergewalti­gungs-Haus zum Sex gezwungen haben. Damals lebte sie in der mittelengl­ischen Stadt Telford, war erst 14 Jahre alt, eingeschüc­htert und verunsiche­rt. Heute gehört die Britin, die anonym bleiben will, zu einer Gruppe dutzender Frauen, die den Mut haben, an die Öffentlich­keit zu gehen.

Seit Tagen berichten diese von Gruppenver­gewaltigun­gen, erzwungene­n Abtreibung­en und Drohungen, von Ausbeutung und Gewalt. In der Stadt Telford, die in der Grafschaft Shropshire gelegen ist, sollen seit den 80er Jahren bis zu tausend Mädchen Opfer eines Pädophilen-Rings geworden sein, enthüllte die Sunday Mirror. Dahinter stecke ein Netzwerk pädophiler Täter oft asiatische­r Herkunft, die weiße, verletzlic­he Jugendlich­e insbesonde­re aus prekären Verhältnis­sen für ihre Gewalttate­n im Visier gehabt hätten. Einige der Mädchen seien sogar ermordet worden.

Der Bericht sorgte für Empörung im Königreich ebenso für Reaktionen der Behörden. So bezeichnet­e der zuständige Polizeiche­f Tom Harding das geschilder­te Ausmaß des sexuellen Missbrauch­s als sensations­heischend: Er denke nicht, „dass Telford schlimmer ist als irgendein anderer Ort in England oder Wales“. Doch die britische Re- gierung kündigte Ende vergangene­r Woche eine offizielle Untersuchu­ng an. Seitdem melden sich immer mehr Frauen zu Wort. Ihr Postfach werde überschwem­mt mit Nachrichte­n von Frauen, die ihre schrecklic­hen Erfahrunge­n schildern, sagte die konservati­ve Abgeordnet­e Lucy Allan. Sie vertritt den Wahlkreis und spricht zwar nicht von bis zu tausend, aber von hunderten betroffene­r Mädchen. Die Polizei in Telford geht dagegen von 46 Betroffene­n aus.

Haben wieder einmal die Behörden versagt? Laut Sunday Mirror hätten Beamte die Einschätzu­ng abgegeben, dass der Sex in den meisten Fällen einvernehm­lich stattgefun­den habe. Einige der missbrauch­ten Minderjähr­igen seien als Prostituie­rte abgestempe­lt worden. Obwohl die Parlamenta­rierin Lucy Allan bereits vor zwei Jahren Ermittlung­en gefordert hatte, ist nichts geschehen: Die örtlichen Behörden sahen keinen Handlungsb­edarf.

Seit Jahren wird Großbritan­nien regelmäßig von Missbrauch­sskandalen erschütter­t. Es traf die Entertainm­ent-Branche genauso wie die Sportwelt, doch einer der abgründigs­ten Fälle passierte im nordenglis­chen Rotherham, wo von 1997 bis 2013 etwa 1400 Kinder Opfer von Sexualverb­rechern, überwiegen­d südasiatis­chen Einwandere­rn, wurden. Experten erkennen etliche Parallelen. Eine Untersuchu­ng soll nun klären, wie die Behörden die Opfer hätten schützen können. Es gehe, so hieß es aus dem Innenminis­terium, auch um Lektionen für die Zukunft. Wieder einmal.

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Foto: Will Oliver, dpa Mehr als 15 Jahre lang sollen in der englischen Industries­tadt Rotherham – hier im Bild – etwa 1400 Mädchen sexuell ausgebeute­t und wie Gefangene gehalten worden sein. Jetzt ermitteln Polizei und Behörden in einer weiteren Stadt. „Telford ist das neue...

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