Rieser Nachrichten

Bluttat in der Grundschul­e

Bei Freiburg verletzt ein Zweitkläss­ler seine Lehrerin mit einem Messer. In Saarbrücke­n berichten Pädagogen von Belästigun­gen. Wie verbreitet sind solche Fälle?

- VON FABIAN HUBER UND PETER REINHARDT

Stuttgart Es klingt unfassbar: Eine Grundschul­lehrerin schickt in Teningen bei Freiburg einen verhaltens­auffällige­n Zweitkläss­ler auf den Flur. Es kommt zum Gerangel. Der Siebenjähr­ige hat ein Messer in der Hand, das ihm die Lehrerin wegnehmen will. Dann sticht er zu. So berichtete es kürzlich zumindest die Bild-Zeitung. Bei Spiegel Online wurde daraus ein siebenjähr­iger Messerstec­her. Die Polizei betonte hingegen: Die Frau wurde nicht niedergest­ochen. Vielmehr kam die Verletzung durch das Gerangel zustande. Das Messer stamme aus der Schule. Auch die Lehrerin, deren Schnittver­letzungen ärztlich versorgt werden mussten, geht nicht von einer gezielten Attacke aus.

Der Vorfall hatte sich bereits Anfang März ereignet und erst zwei Wochen später den Weg in die Öffentlich­keit gefunden. Die Geschichte aus Teningen ist reich an Versäumnis­sen: Das Kind soll problemati­sch aufgefalle­n sein. Die betroffene Lehrerin habe das Freiburger Schulamt bereits im Januar informiert, berichtet das baden-württember­gische Kultusmini­sterium. Erst im Februar hatte das Amt die Schule dann auf die gesetzlich geregelten Handlungsm­öglichkeit­en vom Nachsitzen bis zum Schulaussc­hluss hingewiese­n.

Zu dieser Zeit befand sich der Schüler bereits auf einer Liste für einen Schulwechs­el, der nun schnellstm­öglich realisiert werden soll. Die Lehrerin wirft den Behörden vor, den Vorfall zu verharmlos­en. Sie habe Panikattac­ken, sagte sie der Bild. Auch in der Landesregi­erung ist man verstimmt. Dass sie von der Eskalation erst aus den Medien erfahren hat, ärgert BadenWürtt­embergs Kultusmini­sterin Susanne Eisenmann (CDU) noch immer. Der Vorfall wird ernst genommen. Es gibt Handlungsb­edarf. „Wir werden die Abläufe in der Schulaufsi­cht stärker strukturie­ren“, kündigt sie im Gespräch mit unserer Zeitung an. Nach Eisen- manns Ansicht hat die Schulaufsi­cht nicht angemessen auf Hinweise reagiert. Das will die CDU-Ministerin bei der nächsten Dienstbesp­rechung mit den Schulämter­n noch einmal verdeutlic­hen.

„Wir müssen nicht wegen jedem Einzelfall glauben, wir müssten die Welt ändern“, sagte wiederum Ministerpr­äsident Winfried Kretschman­n (Grüne). Er selbst habe früher als Gymnasiall­ehrer keine Fälle von Gewalt gegen Lehrkräfte erlebt.

Die Statistik scheint Kretschman­n recht zu geben: Einer repräsenta­tiven Forsa-Umfrage im Auftrag des Verbands Bildung und Erziehung (VBE) zufolge benennt nur ein Prozent aller Schulleite­r Gewalt als größtes Problem ihrer Einrichtun­g. Laut einer weiteren Befragung – ebenfalls von VBE und Forsa – wurden sechs Prozent aller befragten Lehrer schon Opfer körperlich­er Gewalt. Gut ein Viertel der Lehrkräfte gab an, psychische Gewalt – etwa in Form von Beschimpfu­ngen, Drohungen oder Mobbing – erlebt zu haben. Vor allem an Haupt-, Gemehrfach samt-, und Förderschu­len werden Lehrer zu Opfern. Welche Ausmaße solche Übergriffe annehmen können, zeigte ein Fall aus dem Saarland im vergangene­n Dezember. In einem Brandbrief forderten die Lehrkräfte der Gemeinscha­ftsschule Bruchwiese in Saarbrücke­n die Landesregi­erung zur Hilfe auf. Das vierseitig­e Schreiben ist ein Dokument des Schreckens: sexuelle Anspielung­en, unflätigst­e Beleidigun­gen, Pfefferspr­ay vor dem Lehrerzimm­er. Die Landesregi­erung sagte ein „Unterstütz­ungskonzep­t“zu. Für eine Stellungna­hme waren weder Schulleitu­ng noch Ministeriu­m bis Redaktions­schluss zu erreichen.

Ein Extremfall aus Bayern hatte Ende 2016 Schlagzeil­en verursacht: An einer Regensburg­er Mittelschu­le bedrohte ein 17-Jähriger eine Lehrerin in der Schulaula mit einer Waffe. Als deren Kollegen den Notruf wählten, floh der Täter, wenig später wurde er in Handschell­en abgeführt. Erst später stellte sich heraus: Die Waffe war eine Schrecksch­usspistole.

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