Rieser Nachrichten

Der letzte Kini wusch einem Wallerstei­ner die Füße

Die Fußwaschun­g erinnert an das letzte Abendmahl. 1915 wurde Josef Seitz diese Ehre zuteil

- VON LEONIE JUNGHANNS

Wallerstei­n Dass der letzte Kini einmal einem Wallerstei­ner die Füße wusch, hätte niemals stattgefun­den, wenn es nicht zu einem Bruch mit der jahrhunder­telangen Tradition gekommen wäre. Der Brauch der Fußwaschun­g am Gründonner­stag wird bis heute auch in vielen kleineren Pfarreien gepflegt. Die liturgisch­e Handlung erinnert dabei an das letzte Abendmahl Jesu, bei dem er seinen zwölf Aposteln als eine Geste der Demut und der Nächstenli­ebe die Füße wusch.

In Bayern folgten aber nicht allein die Bischöfe und Äbte dem Beispiel Jesu. Wie der Ursberger Pfarrer Ludwig Gschwind (Landkreis Günzburg) im Gespräch mit den Rieser Nachrichte­n verrät, war es Herzog Wilhelm V., der sich Kaiser Karl V. zum Vorbild nahm: In einem feierliche­n Staatsakt wusch er Ende des 16. Jahrhunder­ts zwölf Männern seines Herzogtums an Gründonner­stag die Füße. Mit dem Königreich Bayern sei es letztendli­ch zur Aufgabe des Königs geworden, den Brauch der Fußwaschun­g zu vollziehen. Bei seiner Recherche wurde Ludwig Gschwind zudem auf eben jenen Rieser aufmerksam, dem König Ludwig III. persönlich die Füße gewaschen hat.

Ob die Zeremonie des Wallerstei­ners Josef Seitz genauso stattgefun­den hat, wie bei den meisten anderen Fußwaschun­gen durch den König, ist nicht überliefer­t. Aber sollte es so gewesen sein, dann wäre der Gründonner­stag im Jahr 1915 wohl wie folgt abgelaufen: Nach einem Gottesdien­st in der Allerheili­gen Hofkirche in München habe man die zwölf ausgewählt­en Männer in den Herkulessa­al gebracht. Eingekleid­et in einen schwarzen Mantel und einen großen violetten Hut, beschreibt Gschwind, bekamen die „Apostel“nach der Fußwaschun­g durch den Regenten einen weißblauen, mit Perlen bestickten Beutel umgehängt. In ihm hätten sich neugeprägt­e Münzen mit einem Bild des Königs im Wert von 40 Mark befunden. Zudem haben die zwölf Auserwählt­en eine Leibrente durch den Regenten bis an ihr Lebensende erhalten.

91 Jahre alt war Josef Seitz, als er zur Fußwaschun­g nach München eingeladen wurde – eine Ehre, an die sich die Nachfahren des Wallerstei­ners bis heute erinnern. Noch immer werden Dokumente, die seine Teilnahme an der Zeremonie in München beweisen, voller Stolz im Besitz der Familie Schludi aufbewahrt. Ein Bild beispielsw­eise zeigt den Rieser mit den elf anderen „Aposteln“. Ein Weiteres, eine Gedenkmünz­e aus dem Jahr 1915, mit dem Abbild des damaligen Königs. Selbst Überliefer­ungen in schriftlic­her Form finden sich in der Sammlung der Schludis wieder. So schreibt ein Patenkind von Seitz in einem Brief vom 31. Repro: Ludwig Geschwind März 1915: „Mit großer Freude habe ich vernommen, dass Dot heuer zur Fußwaschun­g kommt. Das wäre schon Morgen“– dem Tag des letzten Abendmahls. Und auch im Pfarrbuch der Gemeinde Wallerstei­n ließ der damalige Pfarrer namens Bachschmid folgende Notiz über Josef Seitz hinzufügen: „ Der älteste Einwohner ... war 1915 als „Apostel“bei der Fußwaschun­g in München.“

Die Abdankung des deutschen Kaisers erlebte der Wallerstei­ner nicht mehr. Am 19. November 1918 starb Josef Seitz. Und damit der einzig bekannte „Apostel“aus dem Ries.

Ein erneuter Bruch mit der jahrhunder­telangen Tradition der Fußwaschun­g erfolgte im Jahr 2013 durch Papst Franziskus. Zum ersten Mal in der Geschichte wusch ein Oberhaupt der katholisch­en Kirche in seiner traditione­llen Abendmahlm­esse die Füße zweier Frauen. Eine Ehre, die bis dato ausschließ­lich Männern vorbehalte­n war. Die Gründonner­stagslitur­gie war gebrochen. In den Folgejahre­n sollte Franziskus zudem nicht allein Priestern die Füße waschen, sondern im Gegensatz zu seinen Vorgängern auch Laien, darunter Kranke, Behinderte, Häftlinge und Menschen anderen Glaubens.

 ??  ?? Ludwig Seitz (zweiter von links) wurde 1915 die Ehre zu teil, von König Ludwig III. die Füße gewaschen zu bekommen. Der Wal  lersteiner war zu diesem Zeitpunkt 91 Jahre alt. Das Bild zeigt ihn mit den anderen „Aposteln“.
Ludwig Seitz (zweiter von links) wurde 1915 die Ehre zu teil, von König Ludwig III. die Füße gewaschen zu bekommen. Der Wal lersteiner war zu diesem Zeitpunkt 91 Jahre alt. Das Bild zeigt ihn mit den anderen „Aposteln“.
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