Wo Gäste und Wirt Händel hatten
In Wörnitzostheim gab es einst das Gasthaus „Zur Sonne“. Um 1700 ist dort ein Balthas Mühlleitner der Betreiber. Und der scheint kein einfacher Mensch gewesen zu sein
Wörnitzostheim Mitten im Dorf, nahe bei Kirche, Pfarrhaus und Schule befand sich in Wörnitzostheim bis vor einigen Jahrzehnten die stattliche, zweistöckige Dorfwirtschaft. Besonders in den kleineren Rieser Dörfern fanden im meist einzigen Wirtshaus alle Versammlungen, sowie verschiedenste Veranstaltungen und Feste statt, welches somit zu allen Zeiten gesellschaftlicher Mittelpunkt des Dorflebens war.
Natürlich können bei einer mehrere Jahrhunderte währenden Geschichte nur einzelne Episoden wiedergegeben werden. In der Ortschronik „Wörnitzostheim – Geschichte eines Rieser Dorfes“finden sich einige davon. Die vielen Wirte im Laufe der Zeit hätten sicherlich jeder für sich ein Buch mit Anekdoten aus dem Wirtshausleben füllen können ...
Erste sichere Hinweise auf das Gasthaus beginnen im ausgehenden 16. Jahrhundert, wo für das damals zum Kloster Zimmern gehörige Lehen erstmals einer der Besitzer als „Wirt“bezeichnet wird. Nach mehreren Besitzerwechseln bricht der Schrecken des Dreißigjährigen Krieges über das Ries herein. Anscheinend ist das Wirtshaus in die- unruhigen Zeiten nicht abgebrannt, doch sind mehrmalige, belastende Einquartierungen von Kriegsvolk und schließlich 1634 der Tod durch die Pest von Ehefrau und Sohn des damaligen Wirtes Caspar Breidner überliefert.
Neues Blut kommt gegen Kriegsende aus dem „Ländle ob der Enns“im heutigen Oberösterreich in das teilweise entvölkerte Dorf. Der 26-jährige „Ländler“Daniel Mayr aus der Ottnager Pfarr heiratet 1646 Elisabetha, die Tochter Caspar Breidners. Er übernimmt später einen großen Hof im Dorf und verkauft 1664 sein Wirtslehen. Dadurch wird ein neues, bemerkenswertes Kapitel in der Geschichte des Anwesens mit dem ebenfalls aus dem „Ländle“stammenden Balthas Mühlleitner aufgeschlagen. Dieser erhält von der Herrschaft die „Taferngerechtigkeit“, also unter anderem die Genehmigung
„Wein. Bier und Brandwein auszuschenkhen, Handel mit Kaufmannswahr zu treiben, Brodt und Semblen zu backhen“sowie auch Hochzeiten auszurichten. Mühlleitner scheint eine „starke Persönlichkeit“gewesen zu sein, der sich in seinem langen Leben (er stirbt 1730 im Alter von 94 Jahren) auch viele Feinde (einschließlich des Pfarrers) gemacht hat. Er wird als streitsüch- tig und habgierig beschrieben. Ein Bittgesuch der ganzen Gemeinde Wörnitzostheim an den Fürsten, dem Wirt Mühlleitner die Taferngerechtigkeit zu entziehen, fand kein Gehör. Die Wut der Dorfbewohner aufgrund verschiedenster Unstimmigkeiten entlädt sich immer wieder: Im Jahr 1667 wurden fünf Wörnitzostheimer gestraft, weil sie Mühlleitner „nicht allein mit Fäusten, sondern auch mit Stuhlfüßen“so geschlagen hätten, dass er „etlich Tag das Bett hüten musst“. Aus den fürstlichen Archiven sind eine Vielzahl von Vergehen Mühlleitners wie Schlägereien, Beleidigungen, Drohungen und Betrügereien überliefert, die ihm neben Geldstrafen auch mehrfach Haftstrafen, unter anderem, im „Hundsgraben“am Alerheimer Schloss, einbrachten.
Aus den folgenden Jahrhunderten sind neben den Namen der Besitzer auch interessante Übergabeprotokolle vorhanden, die den ganzen Besitz einschließlich des Hausrates und der landwirtschaftlichen Mobilien auflisten. Erwähnenswert noch, dass der Tafernwirt Johann Caspar Straß im Jahre 1745 das Wirtshaus zweisen stöckig von Grund auf neu gebaut hat. Wiederholte Gesuche von Wirten um das Braurecht wurden nie genehmigt. Das Bier musste früher aus der „Herrschaftlichen Präustatt zu Ötingen (1667), dann aus der „Herrschaftlichen Schloßpreu“auf der Harburg (1764) bezogen werden. In späteren Zeiten, bis zum Ende des Wirtsbetriebes war die Brauerei Scheible in Alerheim der Lieferant.
Interessant auch ein Schriftstück von 1810, mit dem ein Wörnitzostheimer Bauer bei der fürstlichen Herrschaft beantragte, seine Hochzeit in einer Alerheimer Wirtschaft halten zu dürfen, da seine Gäste ihm ins Gesicht sagten, sie kämen nicht, wenn er in Wörnitzostheim seine Hochzeit halte, da die damals „Geiger’sche Wirtschaft“den Ruf hatte, „unreinlich“zu sein. Bereits seit dem Jahr 1864 bis in unsere Tage ist das Anwesen im Besitz der Familie Engel, unter Johannes Engel wurde 1897 ein Eiskeller neu gebaut.
Mit dem Abbruch des altehrwürdigen Gasthauses „Zur Sonne“im Jahre 1973 ging eine jahrhundertalte Wirtshaustradition zu Ende. Der Eingang zum ehemaligen Eiskeller vor dem neuen Wohnhaus sowie der Hausname „beim Wirt“erinnern in Wörnitzostheim noch heute an alte Zeiten.