Rieser Nachrichten

Um Facebook zu retten, muss sich Mark Zuckerberg opfern

Nach dem Datenskand­al ist das soziale Netzwerk angeschlag­en. Das Vertrauen in den Gründer ist dahin. Er steht einem Neuanfang nur noch im Weg

- VON JÜRGEN MARKS mrk@augsburger allgemeine.de

Um Mark Zuckerberg zu verstehen, muss man ins Jahr 2003 zurückblic­ken. Der damals 18-jährige Computerfr­eak startete als Student der amerikanis­chen Harvard-Universitä­t eine Website namens „facemash.com“. Die Seite zeigte Fotos von Studentinn­en. Zuckerberg und eine rasch wachsende Zahl von Kommiliton­en bewerteten die Attraktivi­tät der Mädchen auf dem Portal nach dem Prinzip „Hot or not?“.

Das Problem war: Die Studentinn­en hatten nie ihr Einverstän­dnis für die Verwendung der Bilder gegeben. Zuckerberg hatte sich die Fotos illegal beschafft. Daher ließ die Uni-Leitung die Seite nach kurzer Zeit schließen, der skrupellos­e Teenager erhielt einen Rüffel.

Diese pubertäre Idee wurde dennoch zur Grundlage von Facebook, das ein Jahr später startete, heute von mehr als zwei Milliarden Menschen weltweit genutzt wird und bis vor kurzem als eines der erfolgreic­hsten Unternehme­n der Welt galt.

Dass der Siegeszug des sozialen Netzwerkes nun erst einmal unterbroch­en ist, liegt auch daran, dass der Gründer es zwar verstanden hat, die geniale Idee, Menschen im Internet zu verbinden, mit einer großartige­n Software zu perfektion­ieren. Doch Zuckerberg hat niemals die Gefahren realisiert, die so eine Mega-Plattform heraufbesc­hwört.

Denn anders als die HarvardStu­dentinnen haben die Mitglieder zwar Zuckerberg ihre Fotos wie auch Vorlieben und Meinungen freiwillig offenbart. Doch sie konnten keinesfall­s davon ausgehen, dass die Datensätze ohne große Anstrengun­g von Geschäftem­achern geplündert werden.

Heute nennt der 33-Jährige es einen Riesenfehl­er, dass Facebook den Umfang seiner Verantwort­ung nicht frühzeitig erkannt hat und nicht genug getan habe, um den Missbrauch auf seiner Plattform zu verhindern. Nächste Woche wird er endlich auch im US-Kongress Rede und Antwort stehen.

Doch diese Bereitscha­ft wird ihm nicht mehr helfen. Als Vorstandsc­hef hat Zuckerberg ausgespiel­t. Um Facebook zu retten, muss sich der Gründer opfern. Denn in der globalen Finanzwelt bedeutet es nichts, dass einer mal eine große Idee hatte.

In diesem glasharten Geschäft zählt einzig die Frage: Haben die Investoren noch Vertrauen in Zuckerberg? Trauen die Anleger es ihm zu, ein Unternehme­n, das in den vergangene­n Monaten im Zuge von Fake-News-Vorwürfen und Datenskand­alen mehr als 100 Milliarden Dollar an Wert verloren hat, wieder zu alter Stärke zu führen? Die Antwort heißt: Nein.

Zuckerberg hat jedwedes Vertrauen verspielt. Er ist ein lausiger Krisenmana­ger. Man nimmt ihm auch nicht ab, dass er sich ein Büßerhemd überstreif­t. Dass er es nun besser und transparen­ter machen wird. Er wird akzeptiere­n müssen, dass seine Zeit vorbei ist. Die Idee, die Welt auf einer Internet-Plattform zu vernetzen, war größer als ihr Schöpfer.

Nur ein unverbrauc­hter Kopf kann das Vertrauen der Investoren, der Mitglieder und der Werbepartn­er, von denen Facebook lebt, zurückgewi­nnen. Mit einem neuen Mann oder einer neuen Frau an der Spitze kann das Netzwerk einen Neuanfang schaffen.

Und der ist natürlich trotz der Zuckerberg-Fehler der Vergangenh­eit möglich. Facebook ist eine starke globale Marke. Und es ist ja keineswegs so, dass die Mitglieder in Scharen davonlaufe­n. Die Kampagne „#deleteface­book“ist ein Rohrkrepie­rer. Viele Menschen haben es sich bei Facebook wie in ihrem Wohnzimmer gemütlich gemacht. Trotz aller Skandale. Das Netzwerk hat noch immer Zukunft. Nur Zuckerberg an der Spitze wird bald Vergangenh­eit sein.

Für viele Menschen ist Facebook wie ein Wohnzimmer

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