Rieser Nachrichten

Puigdemont darf hoffen

Warum das Urteil der deutschen Richter für den Katalanen auch dann eine gute Nachricht bleibt, wenn er doch noch ausgeliefe­rt würde

- VON RALPH SCHULZE

Madrid/Schleswig Der frühere katalanisc­he Regionalpr­äsident Carles Puigdemont kann nicht wegen des Vorwurfs der Rebellion an Spanien ausgeliefe­rt werden. Das entschied das Schleswig-Holsteinis­che Oberlandes­gericht am Donnerstag­abend. Zwar erließen die Richter einen Auslieferu­ngshaftbef­ehl wegen des Vorwurfs der Untreue, setzten aber auch dessen Vollzug sofort aus. Eine Auslieferu­ng wegen Rebellion schloss das Gericht von „vornherein als unzulässig“aus. Die Begründung: Das Puigdemont zur Last gelegte Verhalten sei in Deutschlan­d nicht strafbar. Damit kommt eine Auslieferu­ng nicht infrage.

Im internatio­nalen Recht gilt der Grundsatz, dass Beschuldig­te nur dann ausgeliefe­rt werden, wenn die zur Last gelegte Tat in beiden Ländern – in diesem Fall Deutschlan­d und Spanien – strafbar ist. Den Tatbestand der Rebellion gibt es in Deutschlan­d zwar nicht. Strittig war allerdings, ob er dem Hochverrat entspricht, der dann erfüllt ist, wenn jemand versucht, durch Gewalt oder Drohung mit Gewalt ein Teilgebiet aus der Bundesrepu­blik auszuglied­ern oder die verfassung­smäßige Ordnung dort abzuschaff­en.

Das Oberlandes­gericht kam zu der Einschätzu­ng, dass der Straftatbe­stand des Hochverrat­s „nicht erfüllt sei, weil es an dem Merkmal der Gewalt“fehle. Daher sei die „Fluchtgefa­hr deutlich herabgemil­dert“und weniger einschneid­ende Maßnahmen als der Vollzug der Auslieferu­ngshaft seien ausreichen­d. Dieses Urteil bedeutet, dass Puigdemont im Falle einer Auslieferu­ng in Spanien nicht wegen Rebellion angeklagt werden kann. Auf Rebellion stehen dort bis zu 30 Jahre Gefängnis, der Vorwurf der Untreue wiegt weit weniger schwer. Die katalanisc­he Unabhängig­keitsbeweg­ung feierte die angeordnet­e Freilassun­g. „Es scheint so, als ob es in Europa doch noch Gerechtigk­eit gibt“, sagte Marcel Mauri, Vizechef der Unabhängig­keitsplatt­form Òmnium Cultural.

Zu den Auflagen der Haftversch­onung gehört die Zahlung einer Kaution von 75 000 Euro. Angeblich muss sich Puigdemont einmal pro Woche bei der Polizei in Neumünster melden, wo er sich zuletzt in Gewahrsam befand. Auch dürfe er nicht ohne Zustimmung der Generalsta­atsanwalts­chaft ausreisen und müsse einen Wechsel seines Aufenthalt­sortes innerhalb Deutschlan­ds unverzügli­ch bekannt geben.

Puigdemont war am 25. März kurz nach seiner Einreise aus Dänemark von der deutschen Polizei festgenomm­en worden. Grundlage war ein von einem Gericht in Madrid erneuerter europäisch­er Haftbefehl. Seitdem befindet sich Puigdemont in der Justizvoll­zugsanstal­t in Gewahrsam. Am Dienstag beantragte die Generalsta­atsanwalts­chaft einen Auslieferu­ngshaftbef­ehl. Die Festnahme war die jüngste Wendung im Konflikt um eine Abspaltung Katalonien­s von Spanien, der nach einer Volksabsti­mmung und der einseitige­n Verkündung der Unabhängig­keit durch die Region im Oktober eskaliert war. Puigdemont wurde als Regionalpr­äsident abgesetzt und floh ins Exil nach Belgien, um seiner Festnahme in Spanien zu entgehen. Von dort aus reiste er dann vor knapp zwei Wochen nach Finnland. Auf seiner Rückreise nach Brüssel wurde er schließlic­h in Schleswig-Holstein festgenomm­en. Seine Anhänger argumentie­ren, dass Puigdemont bei seinen Aktionen für die katalanisc­he Unabhängig­keit stets gewaltfrei geblieben sei. Nach seiner Festnahme in Deutschlan­d hatten in Barcelona Tausende für seine Freilassun­g demonstrie­rt.

Ob er tatsächlic­h an Spanien ausgeliefe­rt wird, entscheide­t nun die Generalsta­atsanwalts­chaft Schleswig-Holstein.

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Foto: afp Carles Puigdemont kann nicht wegen Re bellion ausgeliefe­rt werden.

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