Rieser Nachrichten

Der Mann, der neue Zähne macht

Vor der Lehre zum Zahntechni­ker war Konstantin Geiger Student. Heute designt er Computer-Kronen. Und manchmal kommt sein Werkstück sogar aus dem Drucker

- VON PHILIPP KIEHL

Augsburg In einem Reihenhaus in Augsburg formt Konstantin Geiger die Zukunft. Der 30-jährige Zusmarshau­ser macht beim Dentallabo­r Rieger eine Ausbildung zum Zahntechni­ker.

Der Weg zu seinem „Traumberuf“verlief alles andere als geradlinig. Sein ursprüngli­cher Plan: Lehrer werden, wie sein Vater. Heute weiß er, dass das Studium ein „Fehler“war. Eher zufällig landete er beim Dentallabo­r Rieger, um sich neben dem Studium etwas dazuzuverd­ienen. Als Fahrer brachte er fertige Zahnprothe­sen, Kronen und Implantate in Arztpraxen. Dann vermittelt­e ihm ein Bekannter ein Praktikum bei dem Zahntechni­klabor und Geiger designte zum ersten Mal einen Löffel, wie die Gebissscha­blone aus Kunststoff heißt, am Computer. Etwas, das heute für ihn zum Alltag gehört.

Geiger steht in einem Computerra­um. Auf einem Holztisch stehen PCs und 3D-Scanner, die digitale Modelle von Gegenständ­en erzeugen. Danach werden sie von Geiger bearbeitet. Er zieht Linien und markiert Punkte am Gebiss, wo am Schluss eine Brücke aus Metall oder ein Ersatzzahn aus Keramik sitzen soll. Die Daten werden an eine Fräsmaschi­ne geschickt. Alles digital. „Kleine Basteleien haben mir schon immer viel Spaß gemacht“, sagt Geiger. In der Schule belegte er Kunst als Leistungsk­urs. Das Modelliere­n und die Bildhauere­i begeistert­en ihn damals sehr. Handwerkli­che Arbeit wie das Gießen von Gipsmodell­en und Modelliere­n von Keramikkro­nen gehören genauso zu seinem Arbeitsall­tag wie das Designen von Kronen, Zahnimplan­taten und Prothesen und das Bedienen des 3D-Druckers.

Geiger stört es wenig, dass handwerkli­che Arbeitssch­ritte durch Technik ersetzt werden. Im Gegenteil: „Das Designen am Computer macht mir Spaß.“Das habe er schon im Praktikum gemacht und es sei ein Grund, warum er sich für die Ausbildung entschied.

Wenn Geiger morgens um 10 Uhr mit der Arbeit beginnt, holt er zuerst die fertig gedruckten Schablonen aus dem Drucker. Anschließe­nd begibt er sich in die Werkstatt. An den Werkbänken schleifen und gießen Mitarbeite­r Gipsmodell­e aus und modelliere­n sie. Als Vorlage dienen Abdrücke, die der Zahnarzt vom Patienten gemacht hat. „Wir haben es häufig mit Zahnersatz oder Karies zu tun“, erzählt Geiger. Er nimmt eine kleine Kiste mit einem Zahnabdruc­k an sich. Ein Auftrag aus einer Arztpraxis. Der Patient braucht eine neue Zahnkrone. „Dieser Abdruck ist nicht besonders gut“, sagt er. Das sei keine Seltenheit. Das erschwert seine Arbeit. Schließlic­h müssen Zahnprothe­sen und Kronen millimeter­genau in die Zahnreihe im Mund passen. „Wenn man den Zahn falsch setzt, führt das zu Gelenkschä­den“, erklärt Geiger. Das habe er im Anatomieun­terricht gelernt. „Ein wichtiges Fach“, findet er. Bis der Patient einen Zahnersatz im Mund hat, vergeht einige Zeit. Immer wieder müssen Korrekture­n vorgenomme­n werden.

Seit fünf Jahren gibt es Oralscanne­r. Die Geräte bilden den Mundraum dreidimens­ional ab. „Die Daten können direkt ans Labor geschickt werden“, sagt Laborchef Helmut Rieger. Die Arbeit der Zahntechni­ker könnte dadurch erheblich vereinfach­t werden. Der Transport falle weg, Gipsmodell­e müssten nicht mehr gegossen werden. Das Labor könnte gleich mit dem Designen am Computer beginnen. Das Problem ist, dass viele Ärzte diesen Schritt noch nicht mitgehen. „Da ist eine gewisse Barriere vorhanden“, betont Rieger. Für viele lohne es sich finanziell nicht. Der Laborchef schätzt, dass es noch zehn Jahre dauern werde, bis sich die Digitalisi­erung bei Zahnärzten durchsetzt. Dennoch lösen die Scanner nicht alle Probleme. „Das herkömmlic­he Verfahren ist gerade beim Abbilden des Zahnfleisc­hs besser“, sagt Rieger. Und: „Man braucht den Blick für Teilbereic­he, Experten, die von Anfang bis Ende die Prozesse kennen.“

Doch „durch die Digitalisi­erung hat der Beruf auch enorm an Attraktivi­tät gewonnen“, sagt Rieger. Von seinen Auszubilde­nden erwartet er „Spaß an Technik und Formgefühl“. Eine Mischung aus handwerkli­chem Geschick und Interesse an digitalen Prozessen ist vorteilhaf­t. „Man versteht besser, was man tut, wenn man es schon mal per Hand gemacht hat“, findet Geiger.

In der Berufsschu­le lernt der 30-Jährige die unterschie­dlichen Materialie­n kennen. Mit Gips, Wachs, Kunststoff, Keramik, Edelmetall­und Nichtedelm­etalllegie­rungen befasst er sich dort. Doch etwas irritiert ihn: Die Digitalisi­erung sei in der Berufsschu­le noch nicht angekommen. Lediglich eine Woche der gesamten Ausbildung widmet sich dem Thema. „Da muss mehr kommen“, findet er. „Stattdesse­n haben wir Physik, Chemie, Religion oder Sport.“

Geigers Lehrzeit endet in zehn Monaten. Was er dann macht, weiß er noch nicht. Er könne sich vorstellen, als Vertreter für zahntechni­sche Firmen zu arbeiten oder seinen Meister machen.

 ?? Foto: Ulrich Wagner ?? Konstantin Geiger hat einmal Lehramt studiert – nun macht er eine Ausbildung zum Zahntechni­ker und ist froh. Denn der Beruf kombiniert Technik mit handwerkli­chem Geschick – genau das, was der Azubi schätzt.
Foto: Ulrich Wagner Konstantin Geiger hat einmal Lehramt studiert – nun macht er eine Ausbildung zum Zahntechni­ker und ist froh. Denn der Beruf kombiniert Technik mit handwerkli­chem Geschick – genau das, was der Azubi schätzt.

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