Durchbruch im Schrebergarten Mord
Vier Tage nach dem Verbrechen bei Ingolstadt präsentieren die Ermittler einen Tatverdächtigen. Er kannte das Opfer. Doch warum hat er den Mann getötet?
Ingolstadt Der orangefarbene Gartenschlauch ist nur lose aufgewickelt, als wäre er eben noch benutzt worden. Daneben eine kleine Gartenhütte, eine umgekippte Schubkarre, ein halb abgedeckter Stapel Holz. Fast niedlich, diese auf Plakat gedruckte, an der Wand befestigte, so beiläufig unperfekte Gartenwelt. Eigentlich. Doch auf einem hüftschmalen Pflasterweg klebt ein großer Blutfleck. Darunter steht: „Ermittlungsgruppe Schrebergarten.“
Freitagmittag in Ingolstadt. Das Polizeipräsidium Oberbayern Nord hat kurzfristig zu einer Pressekonferenz geladen, um Wichtiges zu verkünden. Die Gesichter der Verantwortlichen lassen eine gewisse Erleichterung erkennen. Es ging dann alles doch schneller als erwartet. Vier Tage nach dem Mord an einem 36-jährigen Deutsch-Türken in einer Schrebergartenanlage bei Ingolstadt kann die Polizei einen Tatverdächtigen präsentieren: ein 41-jähriger türkischer Staatsbürger, der am Donnerstagabend von Beamten eines Sondereinsatzkommandos in einer Kneipe im Ingolstädter Norden festgenommen wurde.
Stunden zuvor hatte sich der Tatverdacht „aufgrund von mehreren unabhängigen Aussagen“gegen den Mann derart verdichtet, dass eine vorläufige Festnahme angeordnet wurde, sagt Staatsanwalt Jürgen Staudt. Beamte der Kriminalpolizei hätten daraufhin verdeckt „alle möglichen Aufenthaltsorte“des Verdächtigen gesichert und ihn schließlich in einer Gaststätte lokalisiert. Der Zugriff erfolgte dann gegen neun Uhr abends.
Der mutmaßliche Täter befindet sich mittlerweile in einer nicht näher genannten bayerischen Justizvollzugsanstalt. Gegen ihn wurde ein Haftbefehl wegen Mordes erlassen. Zur Tat machte er bislang keine Angaben.
Noch lässt sich nicht genau rekonstruieren, was sich in der idyllischen Kleingartenanlage zwischen Ingolstadt und der Nachbargemeinde Gaimersheim (Kreis Eichstätt) abgespielt hat. Als gesichert gilt: Ein 47-jähriger Ingolstädter hatte sich am Ostermontag Sorgen um seinen Schichtleiter gemacht, weil dieser nicht zur Arbeit in einem Logistikbetrieb erschienen war. Anrufe blieben unbeantwortet, also fuhr der Mann am Spätnachmittag zum kleinen Grundstück des Getöteten. „Er wusste von dem Schrebergarten, weil er sich dort regelmäßig aufhielt“, sagt Alfred Grob, Leiter der Kripo Ingolstadt.
In der Parzelle bot sich ihm dann ein Bild des Schreckens: Auf einer Grünfläche lag der Arbeitskollege in seinem eigenen Blut – erstochen. Die Kriminalpolizei nahm sofort Ermittlungen auf. Noch in der Nacht wurde die Leiche von der Rechtsmedizin in München obduziert. Das Ergebnis: zahlreiche Stichverletzungen am gesamten Oberkörper. Jede für sich wäre tödlich gewesen – ein brutaler Mord. Die Staatsanwaltschaft geht von Heimtücke aus.
Die Spurensuche lief auf Hochtouren. 35 Beamte der Bereitschaftspolizei Eichstätt mit Spürhunden und Metalldetektoren arbeiteten sich durch die Umgebung des Schrebergartens: ein Wassergraben, Büsche, Geäst. Ein 3D-Scanner entwarf eine detailgetreue Animati(SEK) on des Geländes, um die Tat nachstellen zu können. Nach derzeitigem Kenntnisstand war der kleine Garten auch der Tatort. Es wurden mehrere Messer gefunden. Ob sich darunter auch die Tatwaffe befindet, ist noch unklar.
Gleichzeitig ging die eigens ins Leben gerufene, siebenköpfige Ermittlungsgruppe „Schrebergarten“Aussagen aus der Bevölkerung nach und stieß so auf den Tatverdächtigen. Welche Hinweise genau zur Ergreifung führten, will Einsatzgruppenleiter Manfred Schallerer nicht verraten, wie sich der Kriminalhauptkommissar überhaupt zu einigen Details noch bedeckt hält.
Im Zuge der Festnahme seien „verschiedene Gegenstände sichergestellt worden“. Hinsichtlich des Motivs zeichne sich „eine gewisse Tendenz ab“. Immerhin so viel: Täter und Opfer hätten sich „allgemein gekannt“, seien aber „nicht befreundet“gewesen.
Die Ermittlungen gehen weiter. Gutachten müssen ausgewertet und die Beweislage erhärtet werden. Bis zu einer Anklage wird es wohl noch mehrere Monate dauern.