Aus der Großstadt zurück ins Ries
Heimat lässt sich für viele an einem einzigen Ort festmachen. Für Eva-Maria Janik aus Grosselfingen war die Herkunfts-Frage lange Zeit eine Qual. Auf der Suche nach einer Antwort
Grosselfingen Es war ein Schock für das kleine Mädchen aus Duisburg, als es im Alter von acht Jahren gemeinsam mit seiner Familie nach Grosselfingen kam. Zwar kannte es das Ries durch Ferienbesuche bei seinen Großeltern in Mönchsdeggingen, aber dauerhaft hier zu leben, war für die junge Eva-Maria Janik unvorstellbar. Sie wusste weder etwas über das Leben auf dem Dorf, noch verstand sie den dort gesprochenen Dialekt. Fuhr sie in Duisburg noch mit der Straßenbahn, gab es in Grosselfingen keine einzige geteerte Straße. „Meine Schwester und ich waren die einzigen zwei mit kurzen Haaren, alle anderen Mädchen hatten Zöpfe“, beschreibt Eva-Maria Janik lachend die damalige konfuse Situation an ihrer neuen Schule.
Mit der Zeit gewöhnte sich das junge Mädchen aber immer mehr an sein neues Zuhause: Eva-Maria Janik hatte relativ schnell eine sehr gute Freundin gefunden und auch ihre Eltern waren immer beliebter geworden. „Das Dorf hat uns Kindern gehört“, schwelgt sie in Erinnerungen. Sie erlebte eine Kindheit in Freiheit und Natur, die sie in Duisburg wohl so nie gehabt hätte. Und dennoch wollte sie zum damaligen Zeitpunkt nur noch weg, fort von Grosselfingen.
Es waren die 1970er Jahre, in denen sich die heranwachsende Frau nach mehr sehnte: Nach einem Leben voller Abenteuer, dort hin, wo es Discos gab und im Allgemeinen mehr geboten war. Bis heute ist Eva-Maria Janik ihrem Vater dankbar, dass er ihr diesen Wunsch erfüllt hat. Sie war gerade einmal 17 Jahre alt, als sie mit dessen Erlaubnis nach Nürnberg ging. Dort wohnte Janik bei den Eltern einer Freundin und absolvierte schließlich eine Ausbildung zur PTA. Das Leben in Grosselfingen war passé. „In Nürnberg gab es immerhin wieder eine Straßenbahn“, scherzt Janik, aber ein weiteres großes Ziel blieb: Seit jeher zog es die junge Frau in die bayerische Landeshauptstadt.
Mit 19 Jahren folgte die selbstbewusste und aufgeschlossene Frau schließlich ihrem großen Traum und ließ sich in München, ihrem selbsternannten „Mekka“, nieder. Endlich führte Janik ein Leben in der Großstadt, wie sie es sich immer vorgestellt hatte. Sie liebte die Anonymität der Stadt, die zahlreichen Freizeitangebote und ihren ab- wechslungsreichen Alltag. Doch eine Frage wollte Eva-Maria Janik einfach nicht aus dem Kopf gehen: Die Frage nach ihrer Heimat.
Geboren im Ruhrgebiet, aufgewachsen im Ries, dann der Wohnsitz in München – noch immer wusste die junge Frau nicht, wo denn nun ihre Heimat ist. Erst als sie eines schönen Tages an der Isar entlang spazierte – sie erzählt, dass der Himmel über ihr blau war und die Sonne schien – überkam sie ein tiefes Gefühl der Zugehörigkeit. Sie bemerkte, wie schön sie diese Stadt, in der sie lebt, doch findet. Daraufhin blieb Eva-Maria Janik stehen und dachte zum ersten Mal in ihrem Leben: „Ach, so fühlt sich Heimat an!“So beschloss sie nun also, dass München ihre Heimat sei. Janik heiratete, bekam eine Tochter und genoss ihr Leben in der Großstadt.
Erst als ihre Mutter immer älter wurde und in ihrem Haus in Grosselfingen auf sich allein gestellt war, begann die Münchnerin umzudenken. „Was wäre nur, wenn etwas passiert und sie nicht schnell genug bei ihrer Mutter sein könnte?“Nach und nach reifte der Gedanke, wieder ins Ries zurückzukehren. Zwei Jahre lang wägte die Münchnerin mögliche Alternativen ab. Am meisten sorgte sie sich um ihre Tochter, die – wie Janik damals – aus ihrem gewohnten Umfeld gerissen würde. Doch ihre Bedenken sollten unbegründet bleiben.
Nach dem gemeinsamen Umzug im Jahr 2001 fühlte sich die 16-Jährige von Anfang an in ihrer neuen Heimat wohl. „Hätte ich früher gewusst, in welch tolle Klasse meine Tochter hier in Nördlingen kommt, wäre ich schon damals hergekommen“, sagt Eva-Maria Janik über ihre Rückkehr. Bis heute bereue sie ihre Entscheidung nicht.
Vor allem von der Hilfsbereitschaft der Menschen in Grosselfingen, wo sie nun seit 2005 wieder in ihrem Elternhaus lebt, zeigt sich Janik begeistert. „Die Dorfgemeinschaft hier ist etwas ganz Besonderes“, sagt sie. Egal was ist, man finde immer eine helfende Hand.
Auf die Frage, ob hier nun ihre neue Heimat sei, findet Janik folgende Antwort: „Ich kann mich an mehreren Orten heimatlich verbunden fühlen.“Für sie gibt es eben nicht nur diese eine Heimat.