Rieser Nachrichten

Ein Vater der Lebenshilf­e

Manfred Fleischer war über Jahrzehnte Mitglied im Verein. Zum 50. Jubiläum der Einrichtun­g erzählt er, wie sich alles aus seiner Sicht entwickelt hat und was entstanden ist

- VON DANIEL DOLLINGER

Landkreis Fast 40 Jahre war Manfred Fleischer im Vorstand der Lebenshilf­e Donau-Ries tätig, knapp 30 Jahre davon war er sogar Zweiter Vorsitzend­er der Organisati­on. „Ich habe einiges mitgemacht, vom allererste­n Wohnheim bis zur dritten Werkstätte, die in Wemding entsteht“, erzählt der 75-Jährige, der im Oktober 2016 aus dem Vorstand ausgeschie­den ist. Dennoch ist er weiterhin eng mit der Lebenshilf­e verbunden. Auch das „Wir“hat er noch nicht abgelegt, wenn er über den Verein spricht.

1969 kam Fleischer mit seiner Familie nach Donauwörth. Ein Jahr zuvor war seine geistig schwerbehi­nderte Tochter zur Welt gekommen. „Die Krankheit war zu dem Zeitpunkt kaum erforscht, wir wussten auch nicht, was die Zukunft bringen würde“, erinnert sich Fleischer. Und so wusste er auch nicht, an wen er sich in Sachen Hilfe und Pflege wenden konnte. Aus der Zeitung erfuhr er von der Lebenshilf­e, im September 1973 meldete er seine Tochter in der schulvorbe­reitenden Einrichtun­g an. „Das war für uns das erste Mal, dass unsere Tochter Haus war und nicht von uns versorgt wurde“, sagt Fleischer.

Der ehemalige Gymnasiall­ehrer erinnert sich noch gut an die Anfänge der Lebenshilf­e. Das erste Gebäude, in dem die Menschen mit Behinderun­g untergebra­cht waren, war eine „ehemalige landwirtsc­haftliche Berufsschu­le“. „Wirklich behinderte­ngerecht war das nicht, es regnete rein“, beschreibt Fleischer. Das wurde nach und nach verbessert, die erste Maßnahme, die umgesetzt wurde, war der Einbau eines Therapiebe­ckens. „Das ist eines der Bauvorhabe­n, das ich später schon zum zweiten Mal mitorganis­iert habe“, erklärt der 75-Jährige und verweist darauf, dass das damals gebaute Becken in die Jahre gekommen war.

Um Geld für den Verein zu generieren, habe man einen Stand auf dem Weihnachts­markt in Donauwörth aufgebaut und dort Antiquität­en verkauft. „6000 Mark haben wir damals eingenomme­n“, erinnert sich der langjährig­e stellvertr­etende Vorsitzend­e. In der Anfangszei­t der Lebenshilf­e zu Beginn der 1970er Jahre habe man Mitglieder werben wollen, sagt Fleischer. Auf dem Land versteckte man Menschen mit Behinderun­g noch eher, auch beeinfluss­t durch die Erfahrunge­n aus dem Zweiten Weltkrieg. „Wir gingen auf Betroffene zu, bekamen die behinderte­n Kinder aber oft gar nicht zu Gesicht“, beschreibt es Fleischer. Und über die erste Werkstatt sagt er: „In Kleinsorhe­im waren wir in einer provisoris­chen Werkstatt untergebra­cht. Da saßen zwölf Leute in einem Raum und haben Körbe geflochten.“

Mittlerwei­le zählt die Lebenshilf­e rund 700 Angestellt­e, davon sind etwa 400 Menschen mit Behinderun­g. Sei es in den Werkstätte­n, in der Frühförder­ung oder im stationäre­n Wohnen. Und aus den 6000 Mark sind in all den Jahren auch Millionenb­eträge in Euro geworden. „Das entwickelt­e sich plötzlich rasant und da entstand das nächste Problem: Wo sollen die Menschen wohnen?“, erzählt Fleischer. Die erste Wohnstätte in Nördlingen wurde bereits 1983 bezogen, seitdem kamen sechs weitere dazu, eine davon in Asbach-Bäumenheim. Dort wohnt seit fünf Jahren auch Fleischers Tochter. „Sie hat sich in der Gemeinscha­ft verändert, ist fröhlicher geworden, reagiert auch ganz anders“, lobt er die Einrichauß­er tung. Außerdem sollen knapp 20 Häuser mit verschiede­n großen Wohnungen für ein integrativ­es Wohnen gebaut werden.

Wenn Fleischer auf seine jahrzehnte­lange Tätigkeit bei der Lebenshilf­e zurückblic­kt, so muss er feststelle­n, dass die bürokratis­chen Hürden deutlich mehr geworden sind. „Man muss auf alle möglichen Kleinigkei­ten achten. Ist ein Waschbecke­n nur einen Zentimeter zu hoch angebracht, kann man dafür keine Förderung mehr bekommen“, erklärt er. Das Verständni­s und die Akzeptanz in der Bevölkerun­g seien über die Jahre allerdings besser geworden, meint er. Nur dem Thema Inklusion kann Fleischer nur wenig positives abgewinnen. „Eine Differenzi­erung der Behinderun­g ist wichtig. Es passt nicht jeder in eine Regelschul­e“, sagt er.

Nach fast 40 Jahren hat Manfred Fleischer seine offizielle Tätigkeit beendet, „irgendwann ist auch mal Schluss“, doch er ist nach wie vor involviert in Sachen Lebenshilf­e, die er noch aus den Kinderschu­hen kennt. „Man hat einen anderen Bezug, wenn man das von Anfang an sieht“, meint Fleischer. Um Nachwuchs ist es ihm auch nicht bange.

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Foto: Daniel Dollinger Manfred Fleischer vor der Werkstatt der Lebenshilf­e in Bäumenheim. Die ist eines der zahlreiche­n Projekte, die er in jahrzehnte­langer, ehrenamtli­cher Tätigkeit für den Verein mitorganis­iert hat. Knapp 40 Jahre war Fleischer für die Lebenshilf­e im...

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