Alles eine Frage der Balance
Der Circus Krone gastiert mit seiner neuen Show „Evolution“auf der Nördlinger Kaiserwiese. Ein Mann, sein riesiges Motorrad und eine Raubtier-Dressur beeindrucken
Nördlingen Eine falsche Bewegung und er stürzt zehn Meter in die Tiefe - auf den harten Boden der Manege. Akrobat Crazy Wilson balanciert auf dem hinteren Reifen eines schwebenden Riesenmotorrads. Damit es sich um die eigene Achse drehen kann, ist das Riesenzweirad lediglich in der Mitte befestigt. Das Hinterteil erinnert an ein Hamsterrad. Der Artist befindet sich aber nicht innerhalb des Reifens, sondern balanciert auf der Außenseite. Dann bringt er es zum Stillstand. In den Lautsprecherboxen wird ein Salto auf der Außenseite des Rads angekündigt. Die Zuschauer verstummen, das Adrenalin des „Verrückten“spürt jeder Einzelne im Publikum. Für einen Moment herrscht im Zirkuszelt Totenstille. Crazy Wilson nutzt diesen Augenblick und bekreuzigt sich, dann legt er los. Mit seinem eigenen Körpergewicht rotiert er das Motorrad. Mal hängt er sich nur an das Rad, dann läuft er darauf und immer wieder raunt das Publikum. Als das Motorrad die richtige Geschwindigkeit erreicht hat, lässt der ein oder andere auf den Zuschauersitzen einen kurzen Angstschrei los. Crazy Wilson macht seinem (Künstler-)Namen alle Ehre und dreht sich selbst durch die Luft, doch er fällt nicht, sondern landet wackelig auf seinen Beinen auf dem noch immer drehenden Motorrad. Er reißt die Arme nach oben und lässt sich von der Menge feiern. Auf den Sitzen hält es dabei kaum jemanden.
Crazy Wilson und seine Akrobatik sind Teil des neuen Programms Evolution des Circus Krone. Die diesjährige Tournee startet in Nördlingen auf der Kaiserwiese. Zu der Premiere am Samstagabend sind knapp 3000 Zuschauer in der Manege und die bekommen in zweieinhalb Stunden einiges geboten.
Die Artisten der Truppe Khadgaa springen über riesige Seile, türmen sich übereinander auf, springen wieder über die Seile und machen Saltos. Es gelingt nicht jede Aktion. Das ist dem Publikum aber egal – es feuert die zwölf Artisten trotzdem lautstark an. Sobald das Licht wieder ausgeht, verstummt das Publikum. Zwar bebt der Erdboden nicht, aber ein tierischer Geruch und schwere Schritte kündigen Großes an – ein Elefant. Tiertrainerin Jana Mandana führt das Tier an der Leine. Zu romantischer Musik hängt sie sich mit einem Bein in das Maul des Elefanten und wird durch das Manegenrund getragen. Als das größte Landtier der Welt das Zelt verlässt, wird es laut: Zwischen den einzelnen Shows stürmen immer wieder die Clownbrüder Fumagalli und Daris in die Manage und kein Besucher im Saal ist mehr sicher. Tanzende Papageien, eine Taube, die durch Reifen fliegt und dressierte Pferde runden die Show ab. Ehe Crazy Wilson auf einem Motorrad in die Manege fährt.
Zu Beginn der zweiten Halbzeit befindet sich ein runder Zaun in der Mitte des Zeltes. Darin steht Martin Lacey mit rund 20 Löwen und drei Tigern. Er scheint Herr der Lage im Käfig zu sein. Das Publikum schwankt zwischen Entsetzten, Angst um den Artisten und Faszination. Mit reichlich Rohfleisch und einer Peitsche startet der Dompteur einen Weltrekordversuch: 18 Raubkatzen sollen auf ihrem Hintern Platz nehmen und sich aufrichten. Er tippt die Tiere nach und nach mit der Peitsche an und die richten sich auf. Der erste Versuch scheitert aber, da sich eine Löwin weigert. Bei der zweiten Runde zögert dasselbe Tier erneut, kommt dem Befehl aber doch nach. Das Publikum applaudiert. Als Lacey die Tiere nach und nach aus dem Käfig entlässt, kommt es zu einer fragwürdigen Minute für das Publikum. Ein Löwe mit großer Mähne scheint aufgebracht zu sein. Er faucht in Richtung des Dompteurs und scheint immer wieder kurz davor, auf ihn loszugehen. Ob es zur Show gehört, lässt sich nicht ausmachen. Letztlich bändigt Lacey das Tier. Er verneigt sich angesichts des großen Applaus und schon machen sich die Helfer daran, den Zaun abzubauen.
Der Auftritt des Nashorns Tsavo hinterlässt bei den Zuschauern keinen großen Eindruck – vergleicht man den Applaus mit dem für Crazy Wilson. Für große Erheiterung hingegen sorgt der letzte Auftritt der Clownbrüder. Daris nimmt auf einem Stuhl Platz und Fumagalli will ihm einen Streich spielen. Daris solle nach Honig fragen, doch anstatt Honig will ihm sein Bruder eine Ladung Wasser ins Gesicht spritzen … Das Finale der Show gehört den Flying Zuniga an ihren Trapezen an der Decke der Halle. Die fünf Turner fliegen durch die Luft, machen Saltos und fangen sich gegenseitig wieder auf. Stehende Ovationen erhält eine Vorführung mit verbundenen Augen. Folgt man dem Beifall der Zuschauer, sind es – abgesehen von der Raubtier-Dressur – nicht die Tiershows, sondern die Clownbrüder und Crazy Wilson, die den Circus Krone sehenswert machen. Wer „Evolution“noch sehen will, kann bis Mittwoch auf der Kaiserwiese vorbeischauen.
Vor dem Zelt protestierten Tierschützer am Samstagabend gegen die Shows mit Wildtieren – im Zelt und davor warben die Artisten um Unterstützung genau dafür. >Mehr
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